Die Dichtkunst der Romantik wird nicht selten erst durch Musik zum Leben erweckt. Unter anderem war Robert Schumann die Vertonung von Gedichtzyklen ein sehr persönliches Anliegen. Vor allem seine Liebe zur Clara Wieck, seiner späteren Ehefrau stürzte ihn in emotionale Achterbahnfahrten. Heinrich Heines Textzyklus von der Dichterliebe dürfte hier wie ein Stimmungskatalysator gewirkt haben.
Klaviersonaten sind im 20. Jahrhundert nicht etwa rar gesät, sie machen sich nur meistens rar auf vielen Konzertprogrammen. Dabei gäbe es jede Menge guter Beispiele abseits des spätromantischen Mainstreams, man denke nur an Komponisten wie Hindemith, Ives, Schönberg oder Eisler. Vier besonders interessante Sonaten russischer Provenienz hat die Pianistin Anastasia Yasko für diese CD aufgenommen. Darunter ist mit der neunten – und letzten – Sonate von Sergej Prokofiev ein selten gespieltes Werk, dessen Komponist allerdings alles andere als unbekannt ist.
Eine Symbiose aus Slam Poetry und klassischer Musik
Kaleidos KAL 6354-2
1 CD • 10min • 2020
20.08.2021 • 10 10 10
Das Essener „Ensemble Ruhr“ ist ein unkonventionelles Kammerorchester - ein Kollektiv kreativer Menschen, die sich mit Begeisterung aus den Konventionen des üblichen Konzertbetriebes hinauswagen. Ihre neueste Aufnahme zusammen mit dem Poetry-Slammer Jason Bartsch ist eine Liebeserklärung an die Region.
Kalevi Aho, Jahrgang 1949, ist einer der bemerkenswertesten und produktivsten Sinfoniker unserer Zeit, und natürlich sind es insbesondere seine Orchesterwerke, die ihn in den letzten Jahrzehnten bekannt gemacht haben, darunter mittlerweile 17 Sinfonien und 35 Konzerte für alle Orchesterinstrumente (und nicht nur diese). Ahos Schaffen ist aber tatsächlich noch deutlich vielfältiger, und was die Besetzung anbelangt, nimmt die vorliegende neue BIS-SACD gewissermaßen die entgegengesetzte Position ein: versammelt sind hier ausschließlich Werke für ein einzelnes Instrument
Eight Scenes from the Lieder of Robert and Clara Schumann
BIS 2473
1 CD/SACD stereo/surround • 72min • 2018
15.05.2021 • 10 10 10
Eigentlich kann man heute nur noch schmunzeln über das biedermeierlich rückständige Frauenbild, das Adalbert von Chamisso in seinem Gedichtzyklus „Frauenliebe und-leben“ vermittelt: Liebe, Heirat, Mutterschaft und Witwendasein – das soll alles gewesen sein? Clara Schumann jedenfalls, schon damals eine weltbekannte Klaviervirtuosin, hat den Beweis erbracht, dass es auch noch anderes gibt, und sie war nicht begeistert von der Rolle, die ihr der geliebte Robert zugedacht hatte, als er sich 1840, in einer stürmischen Phase ihrer Beziehung, über Chamissos Dichtungen hermachte, wobei er das letzte Stück, den Rückblick der alten Frau, aussparte.
Der spanische Gitarrenstil setzt auf Temperament und rauschhafte Klangfülle. Das haben die großen Meister ihres Faches, so auch der unerreichte Paco de Lucia eindrücklich demonstriert und dadurch auch ein neues Publikum, das bislang vor allem Jazz hörte, erschlossen. Das Schweizer EOS-Guitar Quartet wagt auf seiner aktuellen CD eine Hommage an den legendären Gitarristen, der im Jahr 2014 in Mexiko verstarb. Die Besetzung mit gleich vier Gitarren weitet bei dieser hochmotivierten Formation das Ausdrucks- und Klangspektrum immens aus – umso mehr, das hinter den Instrumenten vier außerordentlich kreative Musikerpersönlichkeiten stehen
Ein gelungenes Rendezvous zweier Jahrhunderte arrangieren die Musiker des Chelys Consort und das Fieri Gesangsconsort auf dieser SACD: Von Gambenmusik und geistlichen Werke aus der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts wird durch eine Komposition der 1959 geborenen Komponistin Jill Jarman eine Brücke in unsere Zeit geschlagen – uneingeschränkter Hörgenuss!
Eine Brücke über fünf Jahrhunderte, von der Blütezeit der franko-flämischen Musik im 15. und 16. Jahrhundert bis ins 20. Jahrhundert und in die Gegenwart, schlägt das Ensemble New York Polyphony auf der vorliegenden SACD. Thema ist Musik für die Passionszeit, es erklingen Kompositionen von Loyset Compère (ca. 1445-1517), Josquin Desprez (ca. 1450-1521), Adrian Willaert (ca. 1490-1562) und Pierre de la Rue (ca. 1452-1518), sowie des Esten Cyrillus Kreek (1899-1962) und von Andrew Smith, 1970 in Liverpool geboren und seit seinem 15. Lebensjahr in Norwegen beheimatet.
Zwei Instrumente in ungewöhnlicher Konstellation – das birgt kreatives Potenzial. Das Duo Diagonal synchronisiert die orchestrale Räumlichkeit eines Konzertakkordeons mit der filigranen Impulsivität eines Cembalos. Die neue CD des bulgarisch-dänischen Duos (und manchmal auch Trios) übt sich in der hohen Kunst, zwei „ungleiche‟ Instrumente miteinander eins werden zu lassen. Mehr noch: Die dadurch frei werdende Beweglichkeit ermöglicht die erstaunlichsten Zeitsprünge zwischen Alter und Neuer Musik.
Um Gefühle auszudrücken, braucht man kein Klavier: Luca Guglielmi kann dies auch auf einem Cembalo. Die Bach’schen Präludien und Fugen des Wohltemperierten Claviers sind bei ihm nicht bloße barocke kunstfertige Formen, sondern sprühen vor Leben, atmen Kraft und Zartheit, haben pathetische Wucht und spielerische Leichtigkeit, bieten Tragik und Freude. Und Guglielmi zeigt, dass die barocken Tanzformen auch in Fugen rhythmusgebend sind. Selbst swingende Rhythmen lassen sich hier entdecken: Bach ist hier ein Musiker, der weit über seine Barock-Zeit hinausreicht.
Daniil Trifonov, der in Konzerten schon länger ein deutlich breiteres Repertoire pflegt, hat auf Tonträgern bislang fast ausschließlich, dazu überwiegend russische, Musik der Romantik und des frühen 20. Jahrhunderts eingespielt. So macht sein neues Album mit Musik der Bach-Familie, in dessen Zentrum Die Kunst der Fuge Johann Sebastian Bachs steht, doppelt neugierig. Im Booklet postuliert Trifonov einen, neben dem Glauben gleichermaßen im Kreis seiner großen Familie tief verwurzelten, dabei glücklichen Menschen.
Der neapolitanische Pianist Genny Basso interpretiert große Meisterwerke, aber macht dies zu einer tief persönlichen Angelegenheit. Sein neues Album widmet er seinem einflussreichen Lehrmeister und pflegt dabei eine bewusste Kunst der Entschleunigung.
Amy Beach (geb. Cheney, 1867-1944) war die erste bedeutende amerikanische Komponistin von Kunstmusik. Ihre musikalische Hochbegabung zeigte sich schon im Kleinkindalter. Jedoch wollten die Eltern sie nicht in die Wunderkindrolle drängen; erst mit sechs erlaubte man Amy formellen Klavierunterricht – da hatte das Mädchen längst zu komponieren begonnen. Später wurde sie lediglich in Harmonielehre unterwiesen, alles Weitere brachte sie sich autodidaktisch bei. Ab 1883 trat sie erfolgreich als Pianistin auf. Nach der Heirat 1885 gestattete ihr Gatte H. H. A. Beach nur ein Benefizkonzert pro Jahr, förderte sie allerdings als Komponistin; ihre Musik wurde dann unter dem Namen Mrs. H. H. A. Beach veröffentlicht.
Cédric Pescia und Philippe Cascard haben mit ihrer Platte einen außergewöhnlichen Beitrag zum (etwas anderen) Beethoven-Jahr 2020 geliefert. Ihre Interpretation der Liszt’schen Fassung für zwei Klaviere lässt den Hörer die so bekannte Neunte Sinfonie noch einmal völlig neu entdecken.
Und noch ein Beitrag zum Beethovenjahr – aber diese CD mit Beethoven’scher Kammermusik macht ungehemmte Freude, genau die Freude, die Beethoven seinen Zuhörern machen wollte in seiner Wiener Anfangszeit, in der er noch niemanden vor den Kopf stieß, sondern um Anerkennung rang.
Mit der Frühlingssonate und den Sonaten in A-Dur und c-moll aus Opus 30 bestreiten Martin Helmchen und Frank Peter Zimmermann die zweite Folge ihres Komplettzyklus von Beethovens Sonaten für Klavier und Violine. Wir befinden uns mit diesen Werken wahrhaft im Zentrum des Beethoven’schen Kosmos, mit für das Klavier äußerst dankbaren und für die Geige meist weit weniger dankbaren, teils geradezu spröde herausfordernden Aufgaben.
Gelegentlich, wenn etwas herausragend gelingt, ist es gar nicht einfach, dies angemessen zu beschreiben. So geht es mir auch hier. Die letzten drei Beethoven-Sonaten, Abschluss einer drei CDs umfassenden Gesamtaufnahme für BIS, bilden den unbestreitbaren Höhepunkt der bisherigen Kollaboration zwischen Martin Helmchen und Frank Peter Zimmermann. Danach würde ich mir von den beiden nun zuerst die drei Sonaten von Robert Schumann wünschen. Wer kann die schon, wenn nicht dieses Duo?
Complete Piano Sonatas • Diabelli Variations Daniel Barenboim
DG 483 9320
13 CD • 14h 47min • 2020, 1958
10.02.2021 • 10 10 10
Im Mai und Juni 2020 hat Daniel Barenboim im Berliner Pierre-Boulez-Saal, also an seinem akustisch trefflichen musikalischen Stammsitz, zum fünften Mal eine Kompletteinspielung der 32 Beethoven-Sonaten aufgenommen, und noch den gewaltigsten und herausforderndsten Variationezyklus, die einstündigen Diabelli-Variationen hinzugefügt. Dies ist als einer der unbestreitbaren Höhepunkte des Beethoven-Jahres in einer Box bei der Deutschen Grammophon erschienen
Wie bei manch anderen Werken von Ludwig van Beethoven zeigt sich auch bei den Diabelli-Variationen ein gewisses Maß an Maßlosigkeit. Auch hier sprengt der freigeistige Komponist die Grenzen – indem er statt einer Variation über einen von dem Verleger Anton Diabelli komponierten Walzer derer gleich 33 liefert – einen ganzen Variationszyklus. Dabei hatte sich Beethoven zu Anfang noch über Diabellis Unterfangen mokiert, wollte gar keine Variation liefern.
Nach den Mozart-Klaviertrios bringt das über die Jahre bewährte Trio um Daniel Barenboim – mit seinem Sohn Michael Barenboim an der Geige und Kian Soltani am Cello – nun Klaviertrios von Beethoven: die drei erstaunlichen Werke op. 1, die beiden op. 70, das Erzherzog-Trio op. 97 und die Kakadu-Variationen op. 121a. Von der Gesamtwirkung ist das Ergebnis noch überzeugender als bei Mozart, was insbesondere damit zusammenhängt, dass Michael Barenboim hier im Forte nicht jene Zurückhaltung pflegt, die er bei Mozart für angemessen hielt
Johannes Brahms und Friedrich Gernsheim waren einander freundschaftlich verbunden und halfen sich gegenseitig bei der Verbreitung ihrer Werke: Brahms ermöglichte es Gernsheim, sein Klavierkonzert in Wien mit den Philharmonikern vorzustellen; der langjährige Rotterdamer Musikdirektor Gernsheim hatte wesentlichen Anteil an der Durchsetzung der Brahmsschen Musik in den Niederlanden. Da beide Komponisten dem gleichen Stilkreis angehören und Gernsheim wie sein sechs Jahre älterer Zeitgenosse drei Klavierquartette geschrieben hat, liegt der Gedanke durchaus nahe, sämtliche Werke, die Brahms und Gernsheim zu dieser Kammermusikgattung beigesteuert haben, in einer Doppel-Gesamtaufnahme einander gegenüberzustellen.
„Seit meiner ersten Berührung mit den Klavierstücken von Johannes Brahms spüre ich eine besondere Nähe, eine tiefgründige Verbindung zu ihnen. Mich ergreift das Intime, die Innerlichkeit dieser Werke, die letztlich nicht für ein Außen bestimmt ist.“ Es ist genau das, was Johannes Brahms‘ späte Klavierwerke ausmacht, was Yunus Kaya hier beschreibt und ihn besonders mit diesen Werken verbindet. Der in Österreich geborene Pianist mit türkischen Wurzeln ist bekannt dafür, dass er seine Interpretationen aus einer experimentellen und improvisatorischen Suche nach dem Klang heraus entwickelt.
Eine Riege internationaler Topsolisten unterstützt Thomas Dausgaard und sein Schwedisches Kammerorchester bei ihrem Brandenburg Project. Neben Bachs 6 Brandenburgischen Konzerten erleben wir darüber hinaus sechs vielschichtige Auftragskonzerte bedeutender, zeitgenössischer Komponisten, die teilweise sogar mitspielen. Hinreißend virtuos!
Die Musik des Deutsch-Italieners Ferruccio Busoni (1866-1924) hat leider immer noch nicht den ihrer Qualität und historischen Bedeutung angemessenen Platz in den Konzertsälen der Welt gefunden. Nach dem Tod von Anton Rubinstein 1894 waren er und Leopold Godowsky eigentlich die unbestrittenen Platzhirsche auf den internationalen Klavierpodien. Busonis Einsatz für die zeitgenössische Musik allgemein, sein in der berühmten Schrift „Entwurf einer neuen Ästhetik der Tonkunst“ geforderter Aufbruch und die Komponistenschmiede seiner Berliner Meisterklasse sind legendär.
Der Titel „La clarinette parisienne“ charakterisiert eine Musik, die eben nur in Paris entstehen konnte. Das französische Klarinettenmodell, wie wir es heute kennen, war im Wesentlichen bereits um 1840 voll entwickelt. Als Böhm-Klarinette, benannt nach dem Flötenbauer Theobald Böhm, ist sie heute weltweit fast ausschließlich in Verwendung. Lediglich in Deutschland und Österreich findet sich das deutsche Modell, das erst Anfang des 20. Jahrhunderts im Vergleich zur Böhm-Klarinette technisch konkurrenzfähig wurde, bezüglich der Tonqualität diesem jedoch zunächst überlegen war.
François Couperin entstammte einer berühmten französischen Musikerfamilie und wurde von den Franzosen mit dem Beinamen „Le Grand“ ausgezeichnet und hervorgehoben; er galt überdies als erstrangiger Virtuose auf Orgel und Cembalo. Tilman Skowroneck, weltberühmter Cembalist und Musikdozent an der Universität Göteborg, präsentiert die außerordentliche Musik von Couperin dem Großen mit Virtuosität und Einfühlung.
Pavanas, Gallardas, Saltarelli & otras danzas del Renacimiento
fono ruz CDF-2885
1 CD • 70min • 2021
14.12.2021 • 10 10 10
Auf seiner neuesten CD widmet sich das Ensemble Aquel Trovar europäischer Tanzmusik der Renaissance: Es erklingen Tänze aus Spanien, Italien, Frankreich, Deutschland, den Niederlanden und England. Die Aufnahmen sind ganz frisch, sie stammen vom Anfang August 2021.
Es ist nicht zuletzt dem cpo-Poduzenten Burkhard Schmilgun zu verdanken, dass das Werk des Spätromantikers Felix Draeseke (1835-1913) durch höchstrangige Aufnahmen der Vergessenheit entrissen wurde. Nach der Einspielung der vier Symphonien ist dies nun bereits die dritte CD mit Kammermusik des Labels. Der Komponist war zwar bis in die 1920er Jahre ein vielgespielter und hochgeachteter Vertreter der Neudeutschen Schule, kam aber sicher nicht nur wegen seiner anti-modernistischen Haltung – deutlich in der Streitschrift „Die Konfusion in der Musik“ (1906) als Antwort auf Strauss‘ Salome – schlagartig aus der Mode.
In Deutschland noch nicht ganz so bekannt, aber international seit gut 20 Jahren viel gespielt und mittlerweile vielleicht der meistaufgeführte schweizerische Komponist seiner Generation, kann Richard Dubugnon (Jahrgang 1968) auf der neuen BIS-SACD mit drei Werken mittlerer (beethovenscher) Orchesterbesetzung überzeugen – den Kammersymphonien Nr. 1 & 2 sowie Klavieriana, einem ausgewachsenen Klavierkonzert, bei dem zusätzlich eine obligate Celesta solistisch fungiert.
Dieser Piazolla ist aufrichtig und ungeschönt und geht dadurch umso mehr in die Tiefe. Auf Harfe und Klavier setzt das Duo Praxedis aus der Schweiz ein Statement, das aus der Piazolla-Veröffentlichungsflut des letzten Jahres eindrücklich herausragt.
Das Gitarren-Mandolinen-Duo, das bereits seit 1997 gemeinsam musikalisch unterwegs ist, vermag mit seiner neuen CD genau die richtige Mischung herzustellen zwischen angenehmem Flow und Entspannung. „Durch Raum und Zeit“ heißt die Einspielung, die bei Naxos erschienen ist und sie fasst unter diesem Titel den Konsens der gemeinsamen Arbeit des Duos zusammen.
Das Vogler-Quartett setzt seine hochgelobte Gesamteinspielung der Streichquartette von Antonin Dvořak mit der vierten Folge fort. Diesmal treffen zwei Werke, deren Partituren vom Komponisten vernichtet wurden und die deshalb in den 1920er Jahren aus dem erhaltenen Stimmenmaterial rekonstruiert werden mussten, auf das Terzett für 2 Violinen und Viola op. 75. Das Streichquartett Nr. 2 in B-Dur weist ähnlich symphonische Proportionen auf wie das noch umfangreichere Quartett Nr. 3, das die Voglers als Hauptwerk ihrer dritten Folge wählten.
Wenn ein Saxofon und ein Akkordeon zum kammermusikalischen Wettstreit antreten, ist auf jeden Fall geballtes Potenzial am Start – klanglich, dynamisch und expressiv. Noch wichtiger ist, dass die Musiker „hinter“ den Instrumenten etwas zu sagen haben. Das Duo Aliada ist sich auf jeden Fall seiner Qualitäten bewusst. Schon die breit gefächerte Stückeauswahl auf ihrer aktuellen CD zeugt von unerschütterlichem Selbstbewusstsein.
Bei Veröffentlichungen von Aldilà Records kann man stets mit interessanten Programmen rechnen. Wurden auf mehreren der in den letzten Jahren erschienenen CDs Streifzüge durch die Musikgeschichte unternommen, die teils Jahrhunderte überspannen und Beziehungen zwischen Werken verschiedener Epochen und Kulturräume deutlich machten, so widmet sich das vorliegende Album zwei Komponisten, die beide im ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts zur Welt kamen und in den 70er Jahren starben: dem Türken Ulvi Cemal Erkin und dem Armenier Aram Chatschaturjan.
Dass auch sogenannte Kleinmeister zu mehr taugen, als den Namen zu Fughettenthemen zu verleihen, beweisen die Streichquartette von Friedrich Ernst Fesca. Handwerklich keinesfalls schlechter als Beethovens op. 18 oder die frühen Schubert oder Mendelssohn-Quartette. Melodisch, spannend, aber auch empfindungsreich.
Martinus Ræhs (1702-1766) wurde in der dänischen Kleinstadt Horsens als Sohn des Meisters der Stadtpfeifer geboren. Sein Vater wurde später Chef der Ratsmusik in Aarhus und vererbte diese Stelle seinem Sohn. Dessen Hauptinstrument war die Traversflöte, die er – wenn man von den 13 überlieferten Sonaten für dieses Instrument ausgeht – ähnlich virtuos beherrschte wie seine Zeitgenossen Michel Blavet und Johann Joachim Quantz.
In Frankreich bestellt man „Un grand Crème“, wenn man einen großen Milchkaffee trinken will. Dann bekommt man eine große Tasse Kaffee mit sahniger Crema: lecker, süffig, belebend. So in etwa verhält es sich auch bei dieser Aufnahme der Trois Pièces und der Trois Chorals von César Franck, die der finnische Organist Pétur Sakari an der Cavaillé-Coll-Orgel der Kathedrale Sainte-Croix in Orléans gemacht hat.
Als krönender Abschluss des sich über 18 Jahre erstreckenden Projekts der Einspielung aller „100 Études transcendantes“ (1940-44) des britischen Gigantomanen Kaikhosru Sorabji legt sich der schwedische Pianist Fredrik Ullén nochmal so richtig ins Zeug. Aberwitzige Virtuosität und phänomenale Übersicht – speziell in der finalen, 55-minütigen, 6-stimmigen Quintupelfuge – machen dieses Doppelalbum zu einer pianistisch geradezu unbegreiflichen Großtat.
Aldilà Records hat während der letzten Jahre mehrfach das Schaffen Johann Sebastian Bachs in den Mittelpunkt eines CD-Programms gerückt, von diesem ausgehend die Brücke in andere Epochen der Musikgeschichte geschlagen, und dadurch die Hörer dazu angeregt, Gemeinsamkeiten und Unterschiede großer Werke verschiedener Meister und Zeiten zu erfassen. Diese Idee liegt auch dem Solo-Album Gateway into the Beyond des Violinisten Lucas Brunnert zugrunde
Nach den Symphonien, Violinkonzerten, Klavierquintetten, Cellosonaten und der ersten Folge der Streichquartette hat cpo seinen Streifzug durch das Schaffen Friedrich Gernsheims fortgesetzt und eine Doppel-CD mit sämtlichen Werken für Violine und Klavier vorgelegt. Bezogen allein auf die vier Violinsonaten ist die Einspielung von Christoph Schickedanz und Ernst Breidenbach bereits die zweite Gesamtaufnahme, denn 2012 hatten Stefan und Andreas Kirpal die Werke für Brilliant aufgenommen.
Die Hamburger Oper war das Sprungbrett nicht nur in die Karriere Christoph Graupners (1683-1760), der hier ab 1705 als Cembalist in Reinhard Keisers Opernorchester tätig war; auch Georg Friedrich Händel machte hier die ersten Schritte seiner Karriere. Das beweist nicht nur die Bedeutung dieses bürgerlichen Musiktheaters am Hamburger Gänsemarkt für die Geschichte der deutschen Barockoper, sondern bezeugt auch Graupners Rang als Komponist
Chamber music arrangements by his contemporaries Symphony No. 60, Concertino in G
Prospero PROSP 0017
1 CD • 56min • 2017
23.07.2021 • 10 10 10
Joseph Haydn galt bereits zu Lebzeiten als einer der größten Komponisten seiner Epoche – das mündete auch in zahlreiche Bearbeitungen erfolgreicher Orchesterwerke für Kammermusikensemble, die so das häusliche Musizieren dieser beliebten Werke ermöglichten. Michael Dücker hat in unermüdlicher Forschungsarbeit etliche solcher Arrangements ausgegraben und stellt sie auf dieser CD in vortrefflichen Interpretationen vor.
„Ich bin 1895 zu Hanau geboren. Seit meinem 12. Jahre Musikstudium. Habe als Geiger, Bratscher, Klavierspieler oder Schlagzeuger folgende musikalische Gebiete ausgiebig „beackert“: Kammermusik aller Art, Kaffeehaus, Tanzmusik, Operette, Jazz-Band, Militärmusik. Seit 1916 bin ich Konzertmeister der Frankfurter Oper. Als Komponist habe ich meist Stücke geschrieben, die mir nicht mehr gefallen: Kammermusik in den verschiedensten Besetzungen, Lieder und Klaviersachen. Auch drei einaktige Opern, die wahrscheinlich die einzigen bleiben werden, da infolge der fortwährenden Preissteigerungen auf dem Notenpapiermarkt nur noch kleine Partituren geschrieben werden können…“ Soweit Paul Hindemiths Selbstbiographie in „Neue Zeitschrift für Musik“ im Juli 1922. [...]
Das in Moskau beheimatete Brahms-Trio legt bei Naxos die zweite Folge seiner Anthologie zur „Geschichte des russischen Klaviertrios“ vor. Anscheinend sind die Musiker darum bemüht, das Programm einer jeden CD dieser Reihe im Hinblick auf eine bestimmte Thematik zusammenzustellen. War die erste Folge mit Aljabjew, Glinka und Anton Rubinstein gewissermaßen den „Gründervätern“ der russischen Kammermusik gewidmet, so könnte über CD Nr. 2 das Motto „In Memoriam“ stehen, sind doch die beiden hier eingespielten Trios als persönliche Trauerarbeiten entstanden und jeweils dem Andenken eines großen Musikers gewidmet.
Ein Blechbläser-Ensemble – wer denkt da nicht als erstes an die volkstümliche Blaskapelle, Umtata und Tschingarassa? Die Blechbläser haben leider bis heute mit zahlreichen Vorurteilen zu kämpfen, vor allem dann, wenn sie ‚unter sich‘ musizieren. Dass es aber auch anders geht, zeigt auf’s Beste die neue CD des Wien-Berlin Brass Quintetts. Das Ensemble mit der Besetzung von zwei Trompeten, Horn, Posaune und Tuba setzt sich zusammen aus Musikern der Berliner und Wiener Philharmoniker.
Gordon Safari geht von Bachs Motette „Jesu, meine Freude“ aus und versammelt hier weitere Vertonungen dieses Textes in mehreren Text-Variationen und Kompositionsweisen. Die bach-Motette zeigt er dabei als ganz luftiges Chorwerk, zart und durchsichtig, freudig und wortgenau, teilweise rhetorisch furios. Die große Entdeckung ist die Vertonung von Johann Friedrich Doles, dem Schüler und Nachfolger Bachs als Thomaskantor, die hier zum ersten Mal auf Tonträger hörbar wird. Dessen „galanter Stil von berückender Eleganz“ (so Gordon Safari im Booklet) entzückt – genauso wie die glasklare, dabei wendige, artikulationsgenaue und wortdramatische Singweise des Chores des Ensembles BachWerkVokal. Diese CD mit dem Titel „Jesu meine Freude“ bietet mannigfache Freuden.
Die Schnittstelle für die neue CD der frankoschweizerischen Cellistin Estelle Revaz ist die Stadt Genf: Sie selbst lebt in dieser Stadt, ebenso der junge Komponist Xavier Dayer. Und vor allem war Genf die Wirkungsstätte des Komponisten Frank Martin. Mit dem Orchestre de Chambre de Genève existiert hier ein Klangkörper, der sich auf Augenhöhe mit dieser Ausnahmeintepretin bewegt
Hochvirtuose Lautenmusik des 17. Jahrhunderts vereint Frank Bungarten auf einer SACD, mit der er einem der bedeutendsten Lautenisten dieser Epoche ein Denkmal setzt. Johann Hieronymus Kapsberger (1575?/1580?-1651), der in Venedig als Sohn eines deutschen Adligen geborene Musiker, erlangte in seinem Gastland als „Il Tedesco della Tiorba“ (der „Deutsche mit der Theorbe“) Berühmtheit und Respekt. Als Solist wie als Komponist stand er zu Lebzeiten in hohem Ansehen
Clara Schumann und 23 ihrer - überwiegend vergessenen - komponierenden Schwestern des 19. und 20. Jahrhunderts werden von der Sopranistin Franziska Heinzen und dem Pianisten Benjamin Mead glanzvoll ins Recht gesetzt.
Neunzig Minuten barocke Triosonaten: Das klingt erst einmal nach Arbeit. Bei diesem Album des Ensembles „Echo du Danube“ ist das genaue Gegenteil der Fall. Wollte man mit historischem Bewusstsein an die Sache herangehen, müsste man die zwölf Sonaten für Violine, Viola da Gamba und Basso Continuo von Johann Philipp Krieger op. 2 wohl in kleinen Portionen genießen, am besten vermischt mit weiteren Werken aus der Zeit kurz vor der Jahrhundertwende 1700, durchaus auch von anderen Komponisten.
Pietro Locatelli (1695-1764) war einer der berühmtesten Violinvirtuosen seiner Generation;1733 veröffentlichte er unter der Opuszahl 3 und dem Titel L’Arte del Violono 12 Violinkonzerte, die seine besonderen virtuosen Fähigkeiten in ein strahlendes Licht stellen sollten. Locatelli war zuvor dem mit dem Musikleben der Stadt Rom verbundenen Stil Arcangelo Corellis gefolgt, in diesem Opus bediente er sich der modernsten Kompositionsweise des Instrumentalkonzerts, die sein 18 Jahre älterer Kollege Antonio Vivaldi in Venedig etabliert hatte.
Verklärt blickt Olivier Latry auf dem Cover seiner neuen CD gen Himmel, Nebelfetzen umwabern den weißen Spieltisch an dem der Maître vor dunklem Hintergrund sitzt und auch das Repertoire passt zu dieser Inszenierung: Liszt. Der geniale Virtuose, Meister der Selbstinszenierung und spätere mönchische Einsiedler, musikalisch hat er neue Maßstäbe gesetzt. Das tut zweifelsohne auch Latry.
Ronald Stevensons gewaltige Passacaglia on DSCH (1961-62) legt Igor Levit in einer hochenergetischen, kaum zu übertreffenden Aufnahme vor. Neben diesem in Deutschland sicher noch unterschätzten Meisterwerk gelingen in Schostakowitschs 24 Präludien & Fugen op. 87 gerade die verhalteneren Nummern so überzeugend, dass dieser emotionale Zustandsbericht im späten Stalinismus es dem Hörer eiskalt den Rücken herunterlaufen lässt.
Mephisto Walzer on String Bearbeitungen und Komposition von André Parfenov für Violine und Klavier
Naxos 8.551445
1 CD • 53min • 2020
29.01.2021 • 10 10 10
Im Jahr 1861 vollendete Franz Liszt sein Orchesterwerk Zwei Episoden aus Lenaus Faust, dessen zweiter Teil, Der Tanz in der Dorfschenke, in der Klavierfassung als „Mephisto-Walzer“ bekannt wurde. Die Idee löste sich vom ursprünglichen Programm, und Liszt schuf sich mit weiteren Mephisto-Stücken gewissermaßen eine eigene Untergattung tänzerischer Instrumentalmusik
Bénédiction de Dieu dans la Solitude Klavierwerke in Orgelfassungen
Ambiente-Audio ACD-2041
1 CD • 69min • 2020
05.04.2021 • 10 10 10
Vor fast 35 Jahren hat Johannes Geffert an der Klais-Orgel des Limburger Domes eine Aufnahme mit Orgelbearbeitungen von Klavierwerken Franz Liszts gemacht. Damals übertrafen sich die Kritiker mit überschwänglichen Lobeshymnen, eine Kritik gipfelte gar in den Worten, diese Aufnahme sei „besser als das Original“. Legendär ist sie in jedem Fall, auch heute noch, und zwar auch wenn das knackig intonierte neoklassische Limburger Instrument mitunter schon recht kräftig zimbelt.
Eigentlich gehöre ich ja zu den preziösen Puristen, die generell über Crossover-Alben nonchalant das Näschen zu kräuseln pflegen. Somit dachte ich mir, als ich den Umschlag aus der Redaktion aufriss: „Mir diese Schmach! Na gut, bei Gelegenheit mal reinhören und dann möglichst viele Bosheiten platzieren“. Also habe ich irgendwann die Scheibe lustlos in den Player gestopft, um sie als Hintergrund bei der Morgenlektüre laufen lassen. Doch wurde es dann nichts mit der Morgenlektüre. Stattdessen: Gebanntes Lauschen.
Die beiden Violinkonzerte Bohuslav Martinůs entstanden 1932-33 und1943 (dazwischen komponierte er zwei weitere substanzielle konzertante Werke für Violine und Orchester). Während das zu Beginn der US-Emigration komponierte Zweite Violinkonzert schnell seinen Weg machen konnte und seit damals zu Recht gefürchtet ist, verschwand das für Samuel Dushkin geschriebene Erste Violinkonzert in der Versenkung, bevor es uraufgeführt worden wäre.
Es ist ein weit verbreiteter Irrglaube, dass sein offizielles Opus 1, das Klavierquartett c-Moll, auch die erste bedeutsame Komposition von Felix Mendelssohn Bartholdy war. Im zarten Alter von zwölf bis vierzehn Jahren schrieb das musikalische Wunderkind nicht weniger als zwölf Streichersinfonien, die aber erst 1950 posthum veröffentlicht wurden, nachdem man sie in der Staatsbibliothek zu Berlin entdeckt hatte. Bei diesen handelt es sich um recht kurze, dreisätzige Sinfonien für Streicher, die als Studien zum Erlernen orchestraler Techniken bei Mendelssohns Lehrer Carl Friedrich Zelter entstanden.
Suchte man das Klavierwerk, wo die für Olivier Messiaens Musik typischsten Elemente – seine berühmten „Modi“, erweiterte Akkordfolgen jenseits der Funktionsharmonik, stilisierte Vogelgesänge, „unumkehrbare“ Rhythmen, und nicht zuletzt sein unverhohlener Katholizismus – sämtlich in konzentrierter Form in Erscheinung treten, wird wohl spontan sein etwas über zwei Stunden langer Zyklus Vingt Regards sur l’Enfant-Jésus von 1944 genannt werden.
Bearbeitungen beliebter Melodien sind zu Mozarts Zeit gängige Praxis. Populäre Opernarien sind die Hits („Gassenhauer“), aber auch Sinfonien oder Kammermusiken werden in allen möglichen Konstellationen geträllert, gefiedelt, gezupft und geblasen. Wer es sich leisten kann, unterhält eine Harmoniemusik, zumeist ein Bläseroktett, bestehend aus je zwei Oboen, Klarinetten, Hörnern und Fagotten, die mit entsprechenden Arrangements versorgt, das gerade Angesagte zum Besten gibt.
Wolfgang Amadé Mozarts Schaffen für Streichquartett lässt sich in zwei Gruppen einteilen: a) 13 vermeintliche Handgelenksübungen aus den Jahren 1772/3, die der Komponist nie drucken ließ und b) die 10 „großen“ Quartette der späteren Wiener Jahre, die den meisten Hörern aus Rundfunk und Konzertsaal geläufig sein dürften.
„Angelehnt an das Geländer zur einen Seite des Tores steht ein eleganter Pavillion; vor der Tür ist ein großer roter Teppich auf den Sand ausgerollt; Blumen, Rosen schmücken den Weg. Auf der Türschwelle, liebenswürdig, lächelnd, gediegen, empfängt der Herr dieses friedvollen Hauses die Freunde, die er geladen hat. Ein Orchester, versteckt in einem Hain, flüstert süße Musik“ So beschrieb Marcel Proust 1894 einen der zahlreichen Pariser Salons.
Das französische Trio Karénine, – der Name geht auf Tolstois Roman „Anna Karenina“ zurück – das einen der beiden 2. Preise des ARD-Musikwettbewerbs errang, wählte für seine neueste Einspielung Bearbeitungen für Klaviertrio, die entweder vom Komponisten oder nahestehenden Kollegen stammen. Das Klavierstück Vallée d’Obermann bezieht sich auf den Briefroman „Obermann“ von Émile de Senancourt, in welchem einer der Briefe „Vom Wesen des Romantischen und vom Kuhreigen“ Betrachtungen zum romantischen Lebensgefühl in wilder Natur thematisiert.
Eine Musikerin wie Dorrit Bauerecker ist nicht einfach „nur“ Pianistin oder „nur“ Akkordeonspielerin, ebensowenig „nur“ Interpretin oder Improvisatorin. Und auch als fantasievolle Klangperformerin ist Dorrit Bauerecker ein Mensch mit vielen Rollen und Erfahrungen. Dieses Selbstverständnis findet auf ihrer CD-Produktion „One Woman Band“ auf dem Kaleidos-Label einen starken Widerhall. Bauerecker, die sich seit vielen Jahren von der aufgeweckten Kölner Musikszene anregen lässt, spielt hier alle Instrumente selbst.
„Der Weltraum. Unendliche Weiten. Dies sind die Abenteuer des Raumschiffs Enterprise, das […] in Galaxien vordringt, die nie ein Mensch zuvor gesehen hat.“ Ein bisschen so verhält es sich auch mit der Kasseler Kirche St. Martin. Auch hier werden neue Welten entdeckt, insbesondere neue Klangwelten. Die Kirchenmusik hat hier immer schon eine besondere Rolle gespielt, besonders die Neue Musik. Kantoren wie Klaus Peter Ziegler und Hans Darmstadt haben in St. Martin in besonderer Weise Maßstäbe gesetzt. Seit 2006 setzt Eckhard Manz diese Tradition fort und mit der 2017 eingeweihten Rieger-Orgel steht ihm ein Instrument zur Verfügung, das den Erfordernissen der Neuen Musik in besonderer Weise Rechnung trägt.
Das vorliegende Album des Geigers Piotr Plawner und des Pianisten Piotr Sałajczyk eignet sich wunderbar dazu, das lange kursierende, in letzter Zeit aber immer mehr verstummende Gerücht, es habe zwischen Chopin und Szymanowski keine polnischen Komponisten von Rang gegeben, als Gerede schlecht informierter Leute zu entlarven, denn sowohl die 1882 entstandene einzige Violinsonate Ignacy Jan Paderewskis, als auch die beiden Gattungsbeiträge Zygmunt Stojowskis aus den Jahren 1893 und 1911 sind Zeugnisse der reich quellenden Phantasie und starken künstlerischen Gestaltungskraft ihrer Verfasser
Ein Jahr vor Beethovens erstem Fidelio-Versuch unter dem Titel Leonore (1805) kam an der Dresdner Hofoper Ferdinando Paërs Leonora heraus. Gemeinsame Quelle beider Werke war Jean Nicolas Bouillys Libretto Léonore ou l’Amour coniugal, das in der Vertonung von Pierre Gaveaux 1798 zum ersten Mal auf die Opernbühne fand. Paërs Librettisten Giuseppe Maria Foppa und Giacomo Cinti schlossen sich eng an Bouillys Vorlage an. Das Personal und der Handlungsverlauf sind auch mit Beethovens Fidelio identisch.
Das Pleyel-Quartett beendet mit der vierten Folge die Gesamteinspielung der 12, dem cellobegeisterten Preußenkönig Friedrich-Wilhelm II. gewidmeten Quartette ihres Namenspatrons. Ignaz Pleyel (1757-1831) – oder, wie er sich später in Frankreich nannte, Ignace Pleyel – war Schüler Johann Baptist Vanhals und Joseph Haydns, wurde von Mozart geschätzt und begründete später in Paris eine der europaweit bedeutendsten Klaviermanufakturen.
Music from northern Germany and Poland (14th-15th century) Mare Balticum Vol. 4
Tacet S 273
1 CD/SACD stereo/surround • 78min • 2019
31.12.2021 • 10 10 10
Buchstäblich jahrhundertelang dominierten Frankreich, Italien, Spanien und England das Bild, wenn es um die Musik des 14. und 15. Jahrhunderts ging. Im deutschsprachigen Raum mögen sie vielleicht nicht gerade auf den Bäumen gesessen haben; schließlich überliefern das Buxheimer Orgelbuch und drei bedeutende Liedsammlungen ein durchaus vorzeigbares Repertoire. Aber an die Strahlkraft eines Dufay, Ciconia oder Dunstaple reichten diese Meister eben nicht heran.
Wenn eine Interpretation des Präludiums aus Johann Sebastian Bachs Wohltemperiertem Klavier auf Anhieb eine Erinnerung beim Rezensenten heraufbeschwört, wann dieser besagtes Stück in seinem Leben zum ersten Mal bewusst gehört hat, muss einiges an Tiefe und Empfindung im Spiel sein. Sie wird erfahrbar in einem neuen, klangprächtigen Bach-Programm, das die Schweizerin Viviane Chassot auf ihrem Akkordeon realisiert. Ohne Umschweife nimmt man ihr ab, wie sie die Musik dieses Komponisten als Medium für eine Heilung aus schwerer Krankheit, für ihren eigenen Weg zurück und hinein ins Leben empfunden hat.
In seiner neuesten Einspielung setzt sich das Sitkovetsky-Trio mit zwei Werken auseinander, die äußerlich klassizistisch erscheinen mögen, diesen Klassizismus jedoch – jedes auf seine Art – zu hinterfragen vermögen. Das einzige Trio von Maurice Ravel und die Nummer 2 von Camille Saint-Saëns verbinden einerseits die baskische Tanzform des Zortziko, andererseits die hohen spieltechnischen und musikalischen Anforderungen im Jonglieren mit historischen Modellen und der Spaß an Anspielungen.
Carl Reinecke (1824-1910) gehört zu den fleißigen, eher konservativen, dafür mit leichter Hand schaffenden Komponisten, die man gern als Kleinmeister abstempelt. Doch kann man vor seiner Leistung eigentlich nur hochachtungsvoll den Hut ziehen. Er war von 1860-1895 Gewandhauskapellmeister, Lehrer so bedeutender Musiker wie M. Bruch, E. Grieg, C. V. Stanford, A. Sullivan, E. Smyth, F. Delius, I. Albeniz, S. Karg-Elert, J. Röntgen und bis ins hohe Alter aktiver Konzertpianist, der noch als Achzigjähriger beachtliche Welte-Mignon-Klavierrollen einspielte.
Diese CD ist gleich zweifach zu empfehlen: einmal als Visitenkarte des Pianisten Andrea Vivanet und zum anderen, weil sie bislang kaum gehörtes Repertoire erschließt. Die Tanejew-Interpretation dürfte wegen ihrer Klarheit in der Darstellung polyphoner Strukturen Referenzcharakter besitzen, Schostakowitschs 24 Präludien spielt Vivanet mit viel Sinn für die Charakteristik dieser Miniaturen. Die drei Zyklen von Nikolai Tscherepnin liegen erstmals auf CD vor und legen ein faszinierendes Zeugnis von der stilistischen Entwicklung eines Komponisten zwischen russischer Spätromantik und Moderne ab.
Works by Beethoven, Boulanger, Hamauzu, Nuss and Tailleferre
Genuin GEN 21747
1 CD • 62min • 2019, 2020
29.05.2021 • 10 10 10
Sakura – Frühling! So lautet der Titel dieser CD, mit der die Geigerin Malwina Sosnowski und der Pianist Benyamin Nuss dieser Jahreszeit und insbesondere der Zeit der japanischen Kirschblüte ihre Reverenz erweisen. Das fragile Blütenmeer fasziniert jedes Jahr aufs Neue, genauso wie diese spannende CD, die man gerne ein ums andere Mal hört, die aber nichts von ihrer Faszination verliert. Denn was Sosnowski und Nuss hier zusammengetragen haben, das versprüht geradezu den frühlinghaften Charme des Aufbruchs, musikalisch ebenso wie programmatisch.
Christoph Ullrich verfolgt in seiner Gesamteinspielung von Scarlattis Klaviersonaten eine ebenso stilsichere wie persönlich geprägte Perspektive bei seiner Deutung dieser klavieristischen Kleinkunstwerke. Sie sind ja alles andere als liebenswürdige Miniaturen, sondern stellen jede für sich ein eigenes kleines musikalisches Universum von ausgeprägter Eigenart dar
Vor zehn Jahren begann der jetzt 62-jährige Christoph Ullrich sein Mammutprojekt: die Einspielung sämtlicher 555 Klaviersonaten von Domenico Scarlatti (1685-1757). Das Vorhaben, es wird gemäß einem im Arbeitszimmer des Pianisten angebrachten Ablaufplan 2028 abgeschlossen sein, darf mit vollem Recht schon jetzt als pianistische Großtat bezeichnet werden.
Choir Concerto, Three Sacred Hymns • Seven Magnificat-Antiphons
BIS 2521
1 CD/SACD stereo/surround • 60min • 2020
24.09.2021 • 10 10 10
Die orthodoxe Kirchenmusik besteht in erster Linie aus Chormusik, denn Instrumente sind in der orthodoxen Liturgie nicht erlaubt. Was aus katholischer oder evangelischer Sicht vielleicht vordergründig betrachtet als Einschränkung anmuten mag, hat in der Orthodoxie eine lange Tradition. Zudem eröffnet es der Chormusik neue Spielformen. So hat sich aus der orthodoxen Liturgie heraus etwa die Form des Chorkonzertes entwickelt, eine Gattung, die westlicher Chormusik fremd ist und ihren Ursprung in mehrsätzigen, während des Gottesdienstes aufgeführten Stücken hat.
Als Franz Schubert im Jahre 1816 seine drei Sonaten für Violine und Klavier schrieb, waren ihm in der Gattung des Lieds bereits bahnbrechende Meisterwerke wie „Gretchen am Spinnrade“(1814) „Wanderers Nachtlied“, „Rastlose Liebe“ und „Erkönig“ (alle 1815) gelungen. Hier konnte er schon früh seiner Phantasie freien Lauf lassen und sah sich weniger an Muster und Vorbilder gebunden wie in der Instrumentalkomposition.
Works by Louis Couperin, Anita Mieze, Jacques Duphly, Jean-Philippe Rameau and Joseph-Nicolas-Pancrace Royer
Genuin GEN 21733
1 CD • 82min • 2021
26.05.2021 • 10 10 10
Musik des französischen Barocks und zeitgenössische Musik für Cembalo vereint Alexandra Ivanova auf ihrem CD-Debüt als Solistin in einem faszinierenden Brückenschlag über die Jahrhunderte: Neben drei bedeutenden Cembalomeistern der französischen Musik des 17. und 18. Jahrhunderts (Louis Couperin, Pancrace Royer und Jacques Duphly) erklingen Werke der 1980 geborenen lettischen Komponistin Anita Mieze – ihr Name ist übrigens nicht wie die deutsche Miezekatze auszusprechen, sondern mit einem „e“ nach dem „i“ und stimmhaftem „s“ in der Mitte, also etwa „Miësä“.
Es ist das Verdienst der Pianistin Masha Dimitrieva und ihres Labels Sonus Eterna, dass das Schaffen des amerikanischen Komponisten Gordon Sherwood (1929–2013) in den letzten Jahren diskographisch immer besser erschlossen worden ist; mit Folge zwei der Gesamteinspielung seiner Lieder liegt nun schon die vierte CD ihres Sherwood-Projekts vor. Sherwood war ein großer Außenseiter mit einem außergewöhnlichen Lebensweg: Schüler u.a. von Copland, Jarnach und Petrassi, konnte er bereits während seines Studiums beachtliche Erfolge feiern, entschied sich aber dagegen, Teil des musikalischen Establishments zu werden.
Die Sopranistin Ruby Hughes und ihr Begleiter Joseph Middleton leuchten in die Innenräume der Seele (vor allem der weiblichen) und erreichen dabei ein selten erlebtes Maß an Intimität.
Die Bratschistin Hiyoli Togawa hat während des Shutdown in Berlin ein wundervolles Konzeptalbum einstudiert und aufgenommen. Sie nutzte die Einschränkungen für eine Innenreise, für welche ihr elf zeitgenössische Komponisten neue Solostücke schrieben. Diese hat sie mit den sechs Sarabanden aus Bachs Suiten für Cello solo kombiniert, die sozusagen das Rückgrat des Albums bilden, jeweils durchsetzt mit zwei neuen Werken bzw. der fünfsätzigen Shutdown-Suite aus London von Gabriel Prokofiev, dem für seine Kollaboration mit DJs bekannten Enkel von Sergey Prokofiev.
Alexandra Sostmann ist eine Idealistin, sowohl wenn es um die Kultivierung des idealen Klanges geht, als auch in Bezug auf die Herstellung eines durchgängig logischen dramaturgischen Bogens, der musikalische Stilepochen überspannt. In diesem Sinne hat die in Hamburg lebende Pianistin ihre Programme konsequent ausgestaltet und legt auch aktuell wieder eine überzeugende Produktion vor. Wie sehr ist die alte Musik doch ein zeitlos gültiges Bezugssystem? Wie bauen jüngere Schöpfungen auf dem bereits vorhandenen Fundament auf? Und vor allem: Welche Emotion, ja Spiritualität geht daraus heute hervor?
Nachdem sich das B-Five Recorder Consort bereits erfolgreich mit John Dowland und William Byrd befasst hatte, sind nun deren Zeitgenossen Alfonso Ferrabosco – Vater und Sohn – an der Reihe. Aber vorab, was ist ein Consort? „Consort-Music“ war die Sammelbezeichnung für die besonders kunstvoll in England gepflegte 3-6 stimmige Kammermusik der Renaissance und des Frühbarock.
Gottfried Heinrich Stölzel (1690-1749) kam 1719, nach Stationen u. a. am Hof des Grafen Heinrich XXV. Reuß in Gera, an die Residenz der Herzöge von Sachsen-Gotha-Altenburg, der er bis zu seinem Lebensende als Hofkapellmeister verbunden blieb. Der Ruf nach Gotha dürfte nicht zuletzt in Stölzels Ruf als Kirchenmusiker begründet gewesen sein, hatte er doch bereits 1717 im Auftrag des hohenzollernschen Markgrafen von Bayreuth geistliche Musik für die Feier des 200. Jubiläums der Reformation komponiert.
Mit Ewald Straesser lenkt das Berolina-Ensemble einmal mehr den Blick auf einen Komponisten der deutschen Spät- bis Nachromantik, dessen Musik bislang nur wenig Beachtung fand. In beispielhaften Interpretationen dreier sehr reiz- und charaktervoller Werke mit Klarinette erweist sich Straesser dabei nicht nur als der Brahms-Nachfolger, als der er schon zu Lebzeiten galt, sondern als ein Komponist, der auf Basis der deutschen Spätromantik speziell in seinem Spätwerk durchaus eigene Wege ging.
Es hat sich eingebürgert, dass Musiker ihre jeweils jüngsten Einspielungen als „Momentaufnahme“ bezeichnen. So geht Thomas Albertus Irnberger nicht vor. Wenn es einen Zug gibt, der die thematisch weitgespannte, um die 50 CDs umfassende Diskographie des österreichischen Geigers vereinigt, dann den, dass er jeweils gültige Interpretationen vorlegt. Natürlich können sich diese noch verändern, aber Irnberger geht mit einem Werk erst ins Studio, wenn er es nach langer intensiver Beschäftigung vollends durchdrungen und begriffen hat – gleichsam zu Ende gedacht
Wenn ‚Klassik-Menschen‘ Tango spielen – dann kann das durchaus auch daneben gehen. Nämlich dann, wenn es sich um Musikerinnen und Musiker handelt, die aufgrund ihrer exklusiven Ausbildung glauben, jede Musik spielen zu können, ohne sich ausgiebig mit ihren Besonderheiten zu befassen. Sind die entsprechenden Interpreten aber mit einem gesunden Respekt vor anderen Musiktraditionen und einer großen musikalischen Offenheit ausgestattet, so kann daraus etwas ganz Bezauberndes werden.
Wussten Sie, dass Georg Philipp Telemann als einer der Erfinder der ab 1770 erst richtig populär werdenden „Harmoniemusik“ gelten muss? Indem er mit nur 2 Oboen, 2 bis 4 Hörnern und Fagott festliche Musik entstehen lässt, die sich sowohl für Freiluftaufführungen wie auch als Tafelmusik im Saal eignet, beweist Telemann wieder einmal seinen praktischen Sinn und seine profunde Kenntnis bezüglich der Möglichkeiten seines Instrumentariums. Allerdings bedarf es professioneller und mehr als „brauchbarer Virtuosi“, um diese Werke zum Vergnügen werden zu lassen.
Mit den rund 130 erhaltenen Ouvertüren-Suiten Georg Philipp Telemanns könnte man locker 35 CDs füllen. Deshalb ist es nicht verwunderlich, dass in diesem Genre immer noch unentdeckte Trouvaillen auf die Hörer warten. Die von Jean Baptiste Lully ab ca. 1660 geprägte französische Barockoper wurde entscheidend durch das Ballett geprägt. Somit lag es nahe, aus diesen Werken, von denen erstaunlich früh Druckausgaben vorlagen, die rein instrumentalen Stücke zu Satzfolgen (Suiten) zusammenzustellen.
Danksagungen sind meistens nur für diejenigen interessant, denen gedankt wird. Hier jedoch lohnt es sich, das Beiheft aufmerksam durchzusehen: Nicht bloß, weil der Editionsleiter der Telemann-Gesamtausgabe Wolfgang Hirschmann höchstselbst einen naturgemäß außerordentlich informativen Text beigesteuert hat, sondern auch, weil die Solistin und Ensembleleiterin Elizabeth Wallfisch einen aussagekräftigen Gruß an den Aufnahmeort richtet. Die Kirche La Baleine liegt in der Normandie in dem gleichnamigen Dorf, das – Stand 2018 – genau 96 Einwohner hatte.
Seeluft gefällig? Lust auf zeitgenössische Musik von den Färöer, die die Ohren nicht beleidigt? Hier käme Sunleif Rasmussen, meisterhaft interpretiert von Michala Petri der „Grande Dame der Blockflöte“ gerade recht. Viele unterschiedliche Stimmungen warten auf neugierige Ohren!
Songs by Henry Purcell & John Lennon/Paul McCartney
deutsche harmonia mundi 19439924962
1 CD • 56min • 2021
07.12.2021 • 10 10 10
Es ist eine Kombination, auf die man erst mal kommen muss: Auf ihrer gemeinsamen Aufnahme „Time Travel“ verbinden die preisgekrönte Saxofonistin Asya Fateyeva und die lautten compagney Berlin Songs von Henry Purcell und den Beatles. Diese Zeitreise zwischen dem 17. und dem 20. Jahrhundert gelingt überraschend gut und zeigt wieder einmal, dass Musik keine Grenzen kennt – weder zwischen Genres noch zwischen den Epochen. Wenn sie gut ist – und so gespielt wird – ist sie eben einfach zeitlos.
Mehrheitlich vollkommen unbekannte Werke sind es, die auf dieser CD versammelt sind, eingespielt von Joel Bardolet (Violine), Miquel Córdoba (Viola) und Bruno Hurtado (Cello) als Trio Montserrat. Dies gelingt den Musikern derart, dass die Musik nachvollziehbar wird in ihrer überzeugenden Tonsprache. Sie erklingt als „emotionale Intelligenz“, als Inbegriff von Tonalität, und deren unverbrauchte Kraft erweist sich hier durch mehrere Glanzpunkte des Streichtriorepertoires des 20. Jahrhunderts einmal mehr als von historisch größerer Reichweite als im zurückliegenden Jahrhundert mancherorts angenommen.
Eine akustische Zeitreise in die Hansestädte Hamburg und Lübeck zur Zeit des 30-jährigen Krieges. Reiseführer: ein über alle Kniffe der Interpretation von Tastenmusik des 17. Jhds. verfügender Holländer an einem Instrument, das über die richtigen Klangfarben verfügt.
An der Arp-Schnitger-Orgel der Groninger Der Aa-Kerk legt Peter Westerbrink – seit 1992 dortselbst Organist – den vierten und letzten Teil seines Panoramas der norddeutschen Orgelmusik vor, dem er zu Ehren Franz Tunders (ca. 1614-1667) den Titel Franz Tunder in perspectief gegeben hat. Damit erweist er einem der wichtigsten Protagonisten der Orgelmusik in Norddeutschland wohlverdiente Ehre
Alex Freeman (Jg. 1972), Amerikaner und Wahlfinne, hat in seinem Chorstück Under the Arching Heavens (Unter dem Himmelsbogen) den interessanten Versuch unternommen, die herkömmliche Liturgie des Requiems mit weltlichen Dichtungen aufzubrechen und zu erweitern. Anlaß war ein Auftrag des Helsinki Chamber Choir und seines Leiters Nils Schweckendiek, zum 100. Jahrestag des Finnischen Bürgerkriegs von 1918 eine Totenmesse zu schreiben.
Die mittlerweile dritte Veröffentlichung des Kammerorchesters Metamorphosen Berlin setzt in mehrfacher Hinsicht die Linie ihrer beiden Vorgänger fort. Nach einem (überwiegend) tschechischen und einem russischen Album steht diesmal Großbritannien im Mittelpunkt, und erneut werden Klassiker des Repertoires aus dem späten 19. und frühen 20. Jahrhundert (u.a. dem Serenadengenre zugehörig) um Transkriptionen aus der Feder Wolfgang Emanuel Schmidts ergänzt; sogar eine kleine Zugabe ist enthalten.
Das Ensemble Baroque de Toulouse hat 1998 zusammengefunden: Die Musikerinnen und Musiker – allesamt gestandene Interpretinnen und Interpreten auf historischem Instrumentarium – präsentieren unter ihrem Gründer und Leiter Michel Brun mit ihrer ersten auf eigenem Label erscheinenden CD ein weitgespanntes Programm mit Musik von Antonio Vivaldi, des wohl am meisten gefeierten aller Barockkomponisten.
Wer – außer vieleicht ein paar Flötisten – hat je den Namen Eugéne Walckiers (1793-1866) gehört? Dieser aus Nordostfrankreich stammende Komponist war – darin vom berühmten Jules Tulou ausgebildet – Solo-Flötist der Pariser Oper und studierte beim Freund und Bonner Orchesterkollegen Beethovens, Anton Reicha, Komposition. Dadurch wurde er zum Kommilitonen von Berühmtheiten wie Liszt, Berlioz, Gounod und César Franck. Auf der Suche nach Streichquintetten mit Kontrabass stieß das fabergé-Quintett auf zwei sehr reizvolle Werke des Unbekannten und spielte sie virtuos, klangsinnlich und schwungvoll beim NDR ein.
Wie ungerecht die deutsche Musikgeschichtsschreibung mit der Mozart-Schule umging, belegt diese zweite Folge, die cpo den Klavierkonzerten des Salzburger Michael-Haydn- und Leopold-Mozart-Eleven Josef Wölfl (1773-1812) widmet. Erreichte Wölfl doch im Jahre 1799 bei einem Klavier- und Improvisationswettstreit mit dem drei Jahre älteren Beethoven ein klares Unentschieden, bei dem es eher eine Geschmacksfrage war, ob man dem „unheimlich düsteren Charakter“ Beethovens und dessen Sinn für Pathos oder der Eleganz und Klarheit Wölfls stärker zugeneigt war.
Bereits seit einigen Jahren ist das Saxofon in der Klassikwelt angekommen – und dies als Instrument, das man eher dem Jazz zuordnet und das vielleicht auch als zu laut, zu harsch gilt als dass man es für klassische Werke einsetzen würde. Inzwischen wurde man als aufmerksamer Zuhörer eines Besseren belehrt, was nicht zuletzt auch dem Kölner Saxofonisten und Hochschullehrer Daniel Gauthier und seinem Alliage Quintett zu verdanken ist. Seit 2003 leitet er an der Hochschule für Musik und Tanz Köln eine der besten Saxofonklassen Europas, wovon man sich bei dieser Aufnahme überzeugen kann.