Lisa Shklyaver und Georgy Voylochnikov unternehmen eine musikalische Zeit- und Weltreise durch die romantische Literatur für Klarinette und Klavier. Von den Fantasiestücken Robert Schumanns und Niels Wilhelm Gades führt der Weg über Nikolai Medtners Sonate-Vocalise und Alexander Gretschaninows späte Klarinettensonate Nr. 2. Gern geht man mit, denn die Aufnahmen zeugen von vollendeter musikalischer Kultur.
BRAHMS Vier ernste Gesänge op. 121, Lieder & Piano Pieces
Prospero Classical PROSP 0058
1 CD • 55min • 2021
01.07.2023 • 10 10 10
Einen neuen Blick auf die Lieder von Johannes Brahms, insbesondere auf den sonst tiefen Männerstimmen vorbehaltenen Zyklus Vier ernste Gesänge, eröffnen hier die Mezzosopranistin Marie-Claude Chappuis und der Pianist Christian Chamorel, wobei das Grundthema Liebe unter verschiedenen Aspekten beleuchtet wird.
Concertos for Recorder Tenor Saxophone • Sonata Concertante for Accordion and Strings
BIS 2646
1 CD/SACD stereo/surround • 72min • 2022
08.11.2023 • 10 10 10
Mit den auf dieser CD als Ersteinspielung aufgelegten Werken erreicht die Zahl der Instrumentalkonzerte Kalevi Ahos (Jahrgang 1949) nunmehr 39. Neben den mittlerweile 18 Symphonien bilden sie zweifellos den Schwerpunkt seines Schaffens. Hier sind wieder für den klassischen Konzertbetrieb eher exotische Instrumente die Hauptprotagonisten: Blockflöte(n), Tenor-Saxophon und Akkordeon, gespielt von genau den Solisten, für die Aho die Stücke geschrieben hat. Alleine dies sollte die Zuhörerschaft bereits neugierig machen – völlig zu Recht, denn der Finne zieht dabei erneut überzeugend alle Register seines Könnens.
Music from the former library of Dr. Werner Wolffheim
TYXart TXA22172
1 CD • 73min • 2020
18.03.2023 • 10 10 10
Ein Album barocker Lautenmusik legt der Virtuose Bernhard Hofstötter auf dieser CD vor; sie präsentiert Musik des Barocks aus ganz Europa, die ohne die Energie eines unermüdlichen Sammlers des musikalischen Erbes vergangener Jahrhunderte heute gewiss unter die verlorenen gegangenen Schätze der Musikgeschichte zu zählen wäre: Werner Wolffheim (1877-1930), Jurist und Musikwissenschaftler, trug durch seine Sammelleidenschaft entscheidend dazu bei, dass etliche Meisterwerke der Barockliteratur der Nachwelt erhalten geblieben sind.
Per Pålsson und Jesper Sivebæk präsentieren auf ihrer neuen CD als Scandinavian Guitar Duo neben einem Originalwerk von Fernando Sor vor allem Bearbeitungen von Klavierwerken aus Barock und Spätromantik. War es vor 30 Jahren noch populär, über Bearbeitungen fein-ironisch die Nase zu kräuseln, sollte dies aufgrund der hinreißenden Musikalität dieser Einspielung in jedem Falle unterbleiben, um sich nicht eines echten Hörspaßes zu berauben
Grażyna Bacewicz (1909-1969), die jugendliche Hochbegabung als Geigerin und Komponistin, erhielt nach frühen Abschlüssen in Polen bei Carl Flesch und Nadia Boulanger in Paris den letzten Schliff. Für die Förderung polnischer Komponistinnen wurde sie später zu Recht eine Ikone. Gerade ihr symphonisches Schaffen – in ihrer Heimat mittlerweile neben den Werken Lutosławskis oder Pendereckis Standardrepertoire – hat leider noch nicht so richtig den Weg in den Westen gefunden. Umso erfreulicher, dass cpo für seine nun begonnene Gesamtaufnahme unter Łukasz Borowicz das WDR Sinfonieorchester gewinnen konnte.
Piano Concerto • Concerto for Two Pianos • Overture • Music for String, Trumpets and Percussion
Ondine ODE 1427-2
1 CD • 63min • 2022
14.06.2023 • 10 10 10
Unter den zahlreichen Neuaufnahmen mit Musik der Polin Grażyna Bacewicz sticht diese Produktion neben ihrer ausgereiften künstlerischen Qualität auch dadurch hervor, dass gerade Neueinsteiger gelungene Beispiele aus allen Schaffensperioden der Komponistin kennenlernen dürfen.
Wie aus einem Guss – dabei immer klangschön, durchdacht und mit außergewöhnlicher Verzierungskunst – wirken Bachs Goldberg-Variationen unter den Händen des Schweizers Oliver Schnyder. Gleichzeitig gelingt es, die Vielfalt unterschiedlichster Charaktere überzeugend darzustellen: eine Einspielung mit Referenzqualitäten.
Ich gestehe, dass ich die Motetten von Johann Sebastian als Bass eines Ensembles lieber selbst singe, als Aufnahmen davon abzuhören. Dann muss ich mich nämlich nicht über lahme Tempi wegen zu großer Besetzung, fehlende Triller und zerhackte Koloraturen aufregen. Denn es handelt sich bei diesen Werken nicht um Chormusik im klassischen Sinne, sondern um vokale Kammermusik zumeist zu Kasualien wie etwa Trauerfeiern, für die niemals der gesamte, theoretisch zur Verfügung stehende Apparat eingesetzt wurde. Somit ist es schwer, hier die volle Punktzahl zu erzielen. Ein erstes Plus sammelte Solomon's Knot allerdings durch die Einbeziehung von Johann Sebastians hochbegabtem Onkel zweiten Grades, Johann Christoph Bach (1644-1703).
Partita A Minor BWV 827 • French Suites BWV 813, 814 & 816
MDG 940 2280-6
1 CD/SACD stereo/surround • 61min • 2021
12.08.2023 • 10 10 10
Wenn der 1950 geborene Christian Zacharias Bach-Werke auf einem modernen Flügel spielt, hört man einen ganz natürlich wirkenden, wie selbstverständlich laufenden musikalischen Fluss. Was so einfach wirkt, ist in Wirklichkeit große Kunst, geprägt von der Fähigkeit, den Dingen auf den Grund zu gehen. Dieser Grund beruht in Bachs Partiten und Suiten auf der Verschmelzung tänzerischer Rhythmen mit kontrapunktischer Meisterschaft. Und genau dies ist es, was sich in Zacharias neuen, im Konzerthaus der Abtei Marienmünster entstandenen Aufnahmen spiegelt.
So oft Bachs „Wohltemperiertes Klavier“ auch schon eingespielt worden ist – mit Alexandra Sostmanns kluger und zugleich lebendiger Aufnahme hört man diese so kluge und lebendige Musik wieder neu. Man hört, wie sie sich die Fugen- und Präludien-Kunst angeeignet und wie sie sich jeweils einen je eigenen Zugang verschafft hat. Und man hört, wie viele Gedanken sie sich über die Wahl des Instrumentes gemacht hat: Sie spielt den Steinway mit Gedanken an ein Clavichord.
Eine Lanze für Johann Christoph Friedrich Bach (1732-1795), den so genannten „Bückeburger Bach“ bricht Jermaine Sprosse auf einem sensationell klangschönen Fortepiano, einem Originalinstrument von ca. 1805, das sorgfältig aufgearbeitet wurde. Der „Bückeburger Bach“ wurde von seinem Bruder Wilhelm Friedemann als „stärkster Spieler“ unter den Söhnen J. S. Bachs bezeichnet; Jermaine Sprosse hat ein breites Programm zusammengestellt, dem er sich mit Kenntnis, Hingabe und virtuoser Meisterschaft widmet.
Auf diesem reichen Barock-Album der Geigerin Midori Seiler spielt Johann Sebastian Bach die Hauptrolle. Aber auch die Nebenrollen sind sehr gut besetzt, wenngleich nicht prominent. Am ehesten könnte man noch Augustin Reinhard Stricker (um 1675 – 1720) kennen, den „Hochfürstl. Anhaltinischen Capell-Meister zu Cöthen“, wie ihn Johann Gottfried Walther in seinem „Musicalischen Lexicon oder Musicalische Bibliothec [sic]“ von 1732 zitiert; in dieser Funktion war er direkter Vorgänger von Bach.
Die CD begeistert durch die Frische und Präzision, mit denen Werke Bartöks aus verschiedenen Schaffensperioden interpretiert werden. Die Ungarischen Bilder von 1931 zeigen Bartóks Liebe zur Volksmusik auf, wobei unterschiedliche Charaktere auftreten. Das Konzert für Orchester von 1943 spiegelt die Krisenstimmung der Zeit wie auch die reine Freude am Musizieren in vollendeter Leistung von Dirigent und Orchester.
Marlo Thinnes entfacht im Kopf der Zuhörer bei Beethovens Klaviersonaten ein Feuerwerk an Emotionen und Assoziationen. Das kann durchaus mal ungemütlich klingen, wird aber der Kompromisslosigkeit des Komponisten derart gerecht, dass man die Fortsetzung dieser so eindrucksvoll begonnenen Gesamtaufnahme kaum abwarten kann.
Kammermusik ist schwierig, diffizil und heikel – aber nicht, wenn die Chaarts Chamber Artists spielen. Bei ihnen ist jeder ein Meister auf seinem Instrument und sie bieten hier bei Beethovens Septett ein traumhaft sicheres Zusammenspiel, das immer symbiotisch wirkt und bei dem sich kein Instrument in den Vordergrund spielt: eine vollkommen geglückte und glücklich machende Aufnahme!
Beethovens Diabelli-Variationen erscheinen heute – genau 200 Jahre nach ihrer Vollendung und Drucklegung als erster Band von Diabellis Vaterländischem Künstlerverein – immer noch als Quantensprung nicht nur für die Gattung der Variation. Hat doch Beethovens grandiose Dekonstruktion eines leicht einfältigen Walzers nach wie vor eine unerhörte Vorbildfunktion für moderne Kompositionstechniken und den gewissermaßen schonungslosen Umgang mit musikalischem Material. Der russische Pianist Dmitry Ablogin (Jahrgang 1989) studierte in Moskau noch beim legendären Wladimir Tropp, um sich dann später in Deutschland speziell für das Spiel historischer Hammerflügel weiterzubilden.
Großes Musiktheater ist nicht auf die Gattung der Oper beschränkt, wie man hier in einem mitreißenden Recital der Mezzosopranistin Anna Bonitatibus erfährt. Heroinen aus Mythologie und Geschichte, von Saffo bis Maria Stuart, geben in langen Monologen tiefe Einblicke in ihr aufgewühltes Seelenleben.
Christian Tetzlaff • Tanja Tetzlaff • Paavo Järvi In Memoriam Lars Vogt
Ondine ODE 1423-2
1 CD • 61min • 2022
12.11.2023 • 10 10 10
Die Widmung zu dieser bemerkenswerten CD lautet: “In Memoriam Lars Vogt” und sie ist dem dem Andenken des 2022 im Alter von 52 Jahren verstorbenen bedeutenden Pianisten gewidmet ist. Statt der üblichen Werkbeschreibung ist im Booklet ein langes, intensives Gespräch mit Tanja und Christian Tetzlaff abgedruckt, das Einblick gibt in die gemeinsame Arbeit mit Lars Vogt und über die Gründe, gerade das Doppelkonzert von Brahms, das letzte große Orchesterwerk des Komponisten, als Hauptstück für diese Gedenk-CD zu wählen.
String Quartet • Flute Quintet • Pieces for String Quartet
cpo 555 279-2
1 CD • 72min • 2019
09.01.2023 • 10 10 10
Das soll dem Ehepaar Busch erst einmal jemand nachmachen: Zu Beginn des 20. Jahrhuderts allen sieben Kindern eine künstlerische Ausbildung zu ermöglichen, die bei Dirigent Fritz, Geiger Adolf und Cellist Hermann zu Weltkarrieren führte. Dass Adolf auch ein durchaus talentierter Komponist war, beweist diese Einspielung von Kammermusikwerken des Wahl-Schweizers durch das schweizerische Sarastro-Quartett.
Seine für sein Alter ungewöhnlich umfangreichen Fähigkeiten stellt der Bassist Alexandre Baldo in den kursierenden offiziellen Biographien ein wenig unter den Scheffel, wahrscheinlich aus strategischen Gründen: Seit einigen Jahren verfolgt er eine beeindruckende Bühnenkarriere im Bereich der barocken Oper, etwa in Stücken von Lully, Händel oder Sartori; dieses Album mit Arien aus Bühnenwerken von Antonio Caldara, letztes Jahr in St. Florian aufgenommen, porträtiert Alexandre Baldo denn auch als Sänger, der sich für eine große Anzahl tiefer Männerrollen des Repertoires empfiehlt. Begonnen hat er jedoch als preisgekrönter Violist des Ensembles Mozaique.
Der Beginn dieser CD wird von allen drei Interpreten gestaltet, dann dünnt die Besetzung aus und verschiedene Konstellationen werden durchgespielt, wie man ein Blas-, ein Streich- und ein Tasteninstrument miteinander kombinieren kann. Zum Ende hin wächst das Allstar-Trio wieder zur vollen Größe an und zu einer beeindruckenden Klangpracht. Denn mit Michala Petri, Hille Perl und Mahan Esfahani leben hier drei Barock-Menschen ihre „Corelli“-Leidenschaft aus („Corellimania“), die historisch informiertes Musizieren nicht mit Emotionslosigkeit und formelhafter Rhetorik verwechseln.
Bernhard Henrik Crusell wurde in Finnland geboren, Karriere machte er jedoch in Schweden. Er gehört zu jener Armada an Komponisten, die als Zeitgenossen Beethovens unter der Rezeption der Werke des Musiktitanen zu leiden hatten, und erst spät wiederentdeckt wurden. Doch zu entdecken gibt es hier einiges wie die Einspielung des Helsinki Baroque Orchestra unter der Leitung von Aapo Häkkinen beweist.
Bei Musik für Saxophonquartett aus dem frühen oder wenigstens der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts denkt man wohl erst einmal an Alexander Glasunows Quartett, entstanden 1932, und tatsächlich handelt es sich dabei um eines der ersten signifikanten Werke für diese Besetzung. Wenn sich das sonic.art Saxophonquartett also auf der vorliegenden CD ausdrücklich mit Musik des frühen 20. Jahrhunderts befasst – alle hier versammelten Werke entstanden zwischen 1914 und 1934 –, dann handelt es sich dabei mehr oder weniger zwangsläufig um Bearbeitungen, hier aus der Feder von Annegret Tully (der Baritonsaxophonistin des Quartetts), Steffen Schleiermacher und Christoph Enzel.
Sonate a quattro Goldberg • Fasch • Handel • Janitsch • Telemann
Audax Records ADX11201
1 CD • 56min • 2021
21.06.2023 • 10 10 10
Seitdem die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten ihre vormals hochqualitativen Programme nach dem Vorbild des Privatradios gemäß dem stupiden Prinzip dudelnder „Durchhörbarkeit“ gestalten – also, kurz gesagt, einen aus Schnipseln bestehenden Dauerbrei senden –, hat die Begriffsprägung „barocke Dutzendware“ neue Virulenz bekommen. Nicht ganz ein halbes Dutzend Sonaten deutscher Barockkomponisten sind auf diesem neuen Album „Sonate a quattro“ des Ensemble Diderot versammelt, und nie war die eben zitierte abfällige Wendung unpassender: Hier begegnen fünf exquisit gestaltete kammermusikalische Juwelen des 18. Jahrhunderts.
„Die Bremer Stadtmusikanten auf Europatournee“ – so der humorige Untertitel der vorliegenden CD, die dem in ganz Europa gepflegten Wirken der „Stadtpfeifer“ genannten Ensembles gewidmet ist: Hier ist Musik eines Horizonts vereint, der – von Spanien ausgehend – bis zu den unter spanischem Einfluss stehenden Gebieten Italiens und der Niederlande reichte. Die Ensembles der Stadtpfeier bestanden im besten Fall aus hervorragenden Musikern – entsprechend der Bedeutung, dem Selbstverständnis und den finanziellen Möglichkeiten der Städte, die diese Ensembles unterhielten.
Georg Philipp Telemanns 12 Fantasien TWV 40:2-13 sind das tägliche Brot fortgeschrittener Böhm-, Travers- und Blockflötisten. Jedoch haben es bisher nur wenige Oboisten gewagt, die Werke einzuspielen, da sie für dieses Instrument unangenehm hoch liegen. Wenn sie es aber so gekonnt machen und dazu einen derart tiefschürfenden, umfangreichen Booklet-Text verfassen, dass für die Präsentation ein Taschenpartitur-Format benötigt wird, kann man Matthias Arter nur höchstes Lob zollen.
Das Münchner Barockensemble L’arpa festante bietet auf seiner neuesten Doppel-CD einen zweieinhalbstündigen Überblick über die zwischen 1670 und 1710 in der lutherischen Kirchenmusik beliebte Form der Choralkantate. Neben ein paar bekannteren Werken von Dieterich Buxtehude, Johann Pachelbel und J. S. Bach finden sich Ersteinspielungen von Komponisten wie Georg Österreich, Johann Samuel Welter, Emanuel Kegel und weiteren, deren Namen selbst Fachleute kaum mit konkreten Werken verbinden können.
Wer eine Musik sucht, die in düsterer Zeit heitere Schönheit verströmt und Altersdiskriminierung für verwerflich hält, greife zu den von Lajos Lencés wiederentdeckten Kammermusikwerken für Oboe und Streicher von Florian Leopold Gassmann. Der Komponist führte hier einige seiner charmantesten Arien einer absolut idiomatischen Zweitverwertung zu, die der fast Achtzigjährige Oboist und das Szigeti-Quartett in einer perfekt ausgewogenen Aufnahme mit großem Charme und Stilgefühl uns Hörern vermitteln.
Das Diogenes Quartett, das mich bereits durch seinen exzellenten Fesca-Zyklus beeindruckte, widmet sich in Vol. 2 seiner Aufnahme der Streichquartette von Friedrich Gernsheim (1839-1916) dessen letzten beiden wunderbaren Kammermusikkompositionen, dem 5. Streichquartett (1911) und dem 2. Streichquintett (1915) und erweitert so die Diskographie dieses lange unterschätzten Spätromantikers, dessen Werke zunehmend an Beachtung gewinnen.
Eine Weihnachts-CD der etwas anderen Art, hat doch Felix Klieser seine persönlichen ‚Weihnachts-Hits‘ eben mal für Horn arrangiert. Diese Weihnachts-Aufnahme kommt mal ganz ohne Gesang aus und überlässt den Instrumenten den Gesang. Klieser und der Wiener Concert-Verein spielen dabei gewohnt virtuos und lassen dabei nichts vermissen.
Nichts ist vergnüglicher als Lexika Lügen zu strafen: „Reclams Komponisten Lexikon“ meint zu den Opern des Braunschweiger und späteren Berliner Hofopernkomponisten Carl Heinrich Graun (1704-1759): „Seinerzeit geschätzt, verfielen seine Bühnenwerke jedoch später dem Vorwurf mangelnder Originalität.“ Diesem Vorwurf widerspricht diese Aufnahme von Grauns Oper Iphigenie auf Aulis aufs Deutlichste. Zu Recht schwärmt Ira Hochman, die mit ihrem Ensemble barockwerk hamburg diese Oper aus dem Jahre 1728 eingespielt hat, im Booklet von der „Fülle an höchst inspirierender Musik…, die von herausragender Qualität und melodischer Schönheit ist.“
Christoph Graupner (1683-1760) wirkte fast ein halbes Jahrhundert am Hofe des Landgrafen von Hessen-Darmstadt hat und dabei ein Riesen-Œuvre mit über 2000 Werken hinterlassen, darunter allein etwa 1400 Kirchenkantaten. Damit war er mindestens genauso produktiv wie sein Zeitgenosse Johann Sebastian Bach – der Graupner als Thomaskantor vorgezogen wurde, weil Graupners Landesherr ihn partout nicht freigeben wollte. Peter Wollny, Direktor des Bacharchivs Leipzig, geht im Booklet dem Gedankenspiel nach, was wohl geschehen wäre, wenn Graupner den Posten bekommen hätte: Ob er wohl auch größer dimensionierte Werke komponiert hätte als die, die er für die kleinere hessische Schlosskirche geschaffen hat?
Bereits in ganz jungen Jahren räumte der britische Pianist Benjamin Grosvenor in seiner Heimat so ziemlich alle nationalen Preise ab, und hat – gerade mal dreißig – längst einen Exklusivvertrag bei Decca. Zuletzt hatte eine enorm sensible Einspielung u.a. der Lisztschen h-Moll Sonate große Zustimmung erfahren. Wie in Klavieralben schon verschiedentlich ausprobiert, dreht sich seine Neuveröffentlichung eigentlich um Clara Schumann – und in deren Umfeld naturgemäß um die Musik ihres Gatten Robert und des zeitlebens eng mit ihr verbundenen Johannes Brahms.
„In allen meinen Taten“ – so das Motto, das der Trompeter, Musikforscher und Kulturmanager Ludwig Güttler seinem Künstlerleben gegeben und als Titel für seine Abschieds-CD gewählt hat. Auch wenn es kaum zu glauben ist, da Güttler bis heute eine enorme Leistung bringt, so hat er für sich entschieden, nach einer über 65-jährigen weltweiten Karriere diese mit dem Ende des Jahres 2022 zu beenden. Was er in diesen 65 Jahren geschafft hat, lässt sich kaum niederschreiben, so umfangreich ist sein Tun
Es darf in der Tat als außergewöhnlich gelten, wenn die Einspielung eines hierzulande zu wenig bekannten Pianisten den Rezensenten derart beeindruckt, dass er sich dessen Oxforder Dissertation über Franz Liszts Opernfantasien aus dem Internet herunterlädt und sich danach dessen Monographie zur Aufführungspraxis von Klaviermusik im 19. Jahrhundert „After the golden age“ beschafft. Kenneth Hamilton legt mit Vol. 2 seiner Liszt-Aufnahmen eine Referenzversion von Stücken vorwiegend über fremde Themen vor, die in der Forschung gern als unbedeutende Virtuosenmusik angesehen wird. [...]
Das tschechische Bennewitz-Quartett widmet sich auf seiner neuesten CD drei heiteren, nicht zu den unbedingten Schlachtrössern gehörenden Streichquartetten Joseph Haydns. Dabei wird das „Sprechende“ in dieser Musik sehr genau herausgearbeitet und man versteht, wie Haydn es liebt, mit der Erwartungshaltung der Hörer zu spielen, um diese dann aufs Glatteis zu locken. Somit erfährt man viel über die sonnig-heitere, manchmal ein wenig verrückte Seite des Komponisten und seinen originellen Umgang mit den Möglichkeiten seiner Zeit.
Die 1934 geborene Grande Dame der belgischen Klaviertradition und gesuchte Wettbewerbsjurorin, Diane Andersen, wählte für ihre neueste CD Werke, die von der in der Zwischenkriegszeit höchst renommierten französischen Pianistin Blanche Selva uraufgeführt oder ihr – wie das zweite Heft der Iberia von Isaac Albeniz – gewidmet wurden. Abgesehen von Vincent d’Indy kennt man die Komponistennamen vielfach nur, wenn man sich aufmerksam in dickere Abhandlungen zur Geschichte der Klaviermusik vertieft hat.
Eine Lustspielouvertüre • Zwei Serenaden • Römischer Carneval
Schweizer Fonogramm SF0014
1 CD • 65min • 2022
07.07.2023 • 10 10 10
Der Schweizer Komponist Hans Huber (1852-1921) ist in seiner Heimat sehr bekannt, so dass einige Straßen sowie der Kammermusiksaal des Basler Stadtcasinos nach ihm benannt sind. Außerhalb der Schweiz ist ist dies weniger der Fall – obwohl die Discografie doch beachtlich ist. Geboren ist er im Kanton Solothurn, studierte Komposition in Leipzig bei Carl Reinicke, war dann Klavierlehrer im Elsaß, bis er 1877 nach Basel zog. Dort dominierte er bald das Musikleben: Er arbeitete als Klavierlehrer an der Allgemeinen Musikschule, deren Direktor er 1896 wurde, regte die Gründung des Schweizerischen Tonkünstlerverbandes an und gründete 1905 das Basler Konservatorium, als dessen Direktor er bis 1905 amtierte, außerdem leitete er den Basler Gesangsverein.
Eine außerordentlich spannende Einspielung ist der finnischen Pianistin Sanna Vaarni hier gelungen. Unter dem Titel „Illustrazioni“ ist Klaviermusik italienischer Komponisten des 20. Jahrhunderts zu hören. Namen wie Mario Castelnuovo-Tedesco und Nino Rota sind dabei, aber auch Giacinto Scelsi, Gian Francesco Malipiero und Luigi Dallapiccola. Alles Namen, die man kennt, die aber in dieser Zusammenstellung für manche Überraschung sorgen.
Eine Singstimme und ein Cembalo, vielleicht dazu eine Geige und ein Basso-Continuo-Ensemble: fertig ist die „Kammerkantate“, eine weltliche vokale Gattung, die im barocken Rom in den Palazzi der Kardinäle großen Anklang fand. Einer der Komponisten dafür ist Antonio Cesti (1623-1669), in Arezzo geboren, dort Chorknabe und Organist, später Opernsänger in Venedig und Florenz, schließlich ab 1652 in Innsbruck und 1666 in Wien Opernintendant und -komponist. In Innsbruck hatte er den Dichter und Librettisten Giovanni Filippo Apolloni (1620-1688) kennengelernt, der für ihn Opernlibretti schrieb und auch Kantatentexte
Johann Gottlieb Janitsch (1708-1763) war ein Kollege Carl Philipp Emanuel Bachs in der Hofmusik Friedrichs des Großen und wie Bach ein Protagonist des sich damals entwickelnden Konzertlebens im Berliner Bürgertum. Das Berner Ensemble Karfreitagsmusik führt seinen Namen auf eine berühmte Konzertreihe in Berliner Privatsalons zurück und präsentiert hochklassige Kompositionen von Janitsch für diese Anlässe.
Georg Friedrich Kauffmann hat das Glück, aber auch das Pech, 1722 als Mitbewerber Bachs um das Amt des Thomaskantors bekannt geworden zu sein: Glück, weil er dadurch wenigstens in der Musikgeschichte einen Namen hat, Pech, weil Bach eben alles, was gleichzeitig komponiert wurde, überstrahlt. Kauffmann wurde 1679 im thüringischen Ostramondra geboren, ist in Erfurt und Merseburg unterrichtet worden, hat in Merseburg ab 1698 seinen erkrankten Orgel-Lehrer Johann Friedrich Alberti als Hof- und Dom-Organisten vertreten und 1710, nach Albertis Tod, diesen Posten eingenommen, stieg später zum „Fürstlich Sächsisch Merseburgischen Capell-Director“ auf und vertrat daneben einige Zeit auch den Hofkapellmeister – bis er 1735 in Merseburg starb.
Eine spannende Repertoire-Ergänzung, die William Albright als ebenso vielseitigen wie vielgestaltigen Komponisten vorstellt. Zusammen mit den energiegeladenen Interpretationen von Angela Amodio ist das eine der interessantesten Orgel-CDs des Jahres.
Während die Musik Mieczysław Weinbergs (1919-1996) spätestens seit der szenischen Erstaufführung seiner Oper Die Passagierin bei den Bregenzer Festspielen 2010 hierzulande zunehmend Gehör gefunden hat, ist Simon Laks‘ (1901-1983) recht schmales, aber nicht weniger interessantes Schaffen noch recht unbekannt. Laks – wie Weinberg in Warschau geboren – ging nach anfänglichem Mathematikstudium 1926 nach Paris, wo er früh Erfolge feierte. 1941 folgten Inhaftierung, Deportation nach Auschwitz, Zwangsarbeit bei Dachau. Nach seiner Befreiung kehrte er wieder zurück nach Paris. [...]
Die Herrscherfamilie Habsburg war musikalisch außerordentlich begabt, unter ihnen sticht Kaiser Leopold I. (1640-1705) als bedeutender Komponist seines Zeitalters hervor, der mit mehr als 200 Werken ein ansehnliches Œuvre hinterließ. Zunächst nicht für die Nachfolge auf dem Thron vorgesehen, wurde Leopold als Nachfolger seines verstorbenen älteren Bruders Ferdinand 1655/56 zum König von Ungarn und Böhmen gekrönt. Nach Überwindung etlicher Schwierigkeiten trat er 1658 auch die Herrschaft als Kaiser des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation an; Leopold war einer der letzten Kaiser, der seinem Titel durch persönliches Wirken eine gewisse Machtfülle verleihen konnte.
Und weiter geht’s mit dem „Mendelsohn Project“ des dogma chamber orchestra beim Label MDG, es ist die dritte CD und wieder sind Streichersinfonien mit einem Konzert kombiniert. Hier ist es nur eine Streichersinfonie, weil es die erste mit symphonischen Ausmaßen ist, nämlich viersätzig. Die ausgewählten Stücke passen nicht nur wegen der gleichen Tonart zusammen, sondern auch wegen der zeitlichen Nähe der Kompositionen: Und wieder staunt man, zu welch genialen Einfällen schon der dreizehn- bzw. vierzehnjährige Felix Mendelssohn Bartholdy imstande ist.
Der dänische Pianist Kristoffer Hyldig legt eine ausgezeichnete Einspielung von Messiaens Vingt Régards sur l'Enfant-Jésus vor, die besonders das Mysterium und die Spiritualität dieser Musik betont. Eine intensive, klangvolle Aufnahme, die sich viel Zeit nimmt und von inniger Versenkung bis hin zu gewaltiger expressiver Wucht die Facetten dieses Zyklus beispielhaft auslotet.
Zu seinem 80. Geburtstag widmet Kolja Lessing dem Komponisten Krzysztof Meyer ein Portrait, in dessen Zentrum seine beiden Sonaten für Violine solo stehen. Da die beiden Werke im Abstand von mehr als vierzig Jahren entstanden, ergibt sich so gleichzeitig eine reizvolle Gegenüberstellung von (relativ) frühem und aktuellem Schaffen. Zusammen mit einigen Stücken mit Klavierbegleitung erhält man hier einen auch interpretatorisch exzellenten Eindruck von wesentlichen Charakteristika der Tonsprache Meyers und ihrer Entwicklung.
Es mag verwundern, aber es ist tatsächlich so: Obwohl es Posaunen seit dem 15. Jahrhundert gibt, ist das kammermusikalische Repertoire für dieses Instrument immer recht überschaubar geblieben, jedenfalls, wenn man es mit dem für Oboe, Geige oder etwa Trompete vergleicht. Die Posaune wird vielfach als Orchester- und Ensembleinstrument gesehen, steht ansonsten aber eher im Schatten. Das wird sich auch nicht mit einer CD ändern lassen, aber diese Einspielung des Posaunisten Jörgen van Rijen zeigt in jedem Fall, das die Posaune durchaus als Kammermusik-Instrument zu gebrauchen ist. Mangels Repertoire hat van Rijen auf neue Werke und Bearbeitungen zurückgegriffen, die von Dowland bis hin zu Neuester Musik reichen.
Serenaden, also abendliche „Unterhaltungsmusik“ – aber von Mozart und damit auf höchstem künstlerischen Niveau, gespielt mit traumwandlerischer rhythmischer Perfektion vom Mozarteumorchester Salzburg unter Roberto González-Monjas, der auch mit unnennbarer Süße und Eleganz die Violin-Soli spielt. Ein Mozart zum Dahinschmelzen und zum Genießen der Stimmenverflechtungen.
Mozart richtig zu spielen wird schwerer, je älter und skrupulöser man wird. Elene Bashkirova hat lange gewartet, bis sie Mozarts Klaviermusik einspielt. Das tut sie mit soviel bewundernder Hingabe und bewusstem Schürfen nach seelischen Tiefenschichten, dass man Mozart ganz frisch und neu erlebt. So spricht Mozart zu uns unmittelbar, wenn auch immer noch ganz unauslotbar: Mit Elene Bashkirova geht man tief in die Tiefe.
Mit Krebs im Körper, aber mit unendlicher Gelöstheit spielt und dirigiert Lars Vogt zwei Klavierkonzerte von Mozart. Schöner, seelenvoller und dabei natürlicher kann man Mozart kaum spielen: Es ist ein Spiel von Schiller’scher Größe: Der Mensch ist nur da ganz Mensch, wo er spielt – aber dann so wie Lars Vogt: Er spielt - in Schiller’schem Sinne – mit der Schönheit und geradezu die Schönheit.
Ein Loblied auf den Zink erklingt hier, jenes überaus schwer zu spielende Instrument der Renaissance- und Barockmusik, das knapp und nur mäßig unzutreffend als Blockflöte mit Trompetenmundstück zu beschreiben ist. Gesanglich im Ton wie kein zweites war es seinerzeit in jedem Stadtpfeiferensemble zu finden. David Brutti auf dem Zink und Nicola Lamon (Orgel und Cembalo) bieten ein breit angelegtes Programm von Musik aus Spätrenaissance und Frühbarock und entführen ihre Zuhörer auf einen Parnass musikalischen Genusses.
Friedrich Christian Samuel Mohrheim Cantatas & Arias
MDG 902 2254-6
1 CD/SACD stereo/surround • 74min • 2021
03.05.2023 • 10 10 10
Man möchte es kaum glauben, aber selbst in unserer musikgeschichtlich gut ausgeleuchteten Zeit lassen sich immer noch veritable Entdeckungen machen. Dass mit Friedrich Christian Samuel Mohrheim (1719 – 1780) ein hervorragender Komponist ins Bewusstsein der Öffentlichkeit zurückgebracht wird, ist dem Musiker und Gelehrten Andrzej Mikolaj Szadejko zu verdanken, der bei MDG die höchst instruktive Reihe „Musica Baltica“ verantwortet. Wie F. C. S. Mohrheim überhaupt vergessen werden konnte, ist nicht nachvollziehbar; die alte „Musik in Geschichte und Gegenwart“ (MGG) nennt ihn wenigstens noch als Schwiegersohn und Nachfolger von Johann Balthasar Christian Freißlich (1687 – 1764), dem langjährigen Kapellmeister der Marienkirche im damaligen Danzig und heutigem Gdansk, der „New Grove“ führt ihn nicht mit einem eigenen Eintrag.
Manfred Cordes ist als hervorragender Entdecker und Leiter von Interpretationen norddeutscher Musik der Spätrenaissance und des Frühbarock bekannt geworden, die er den Liebhabern dieses Repertoires besonders in seinen Aufnahmen mit dem Ensemble Weser-Renaissance bekannt gemacht hat. Mit dieser CD beginnt er mit dem Europäischen Hanse-Ensemble eine Reihe von Einspielungen unter dem Titel „Musik aus alten Hansestädten“, die dem musikalischen Erbe der Hanse gewidmet ist; diese agierte ja nicht nur als umfassende Handelsmacht, sondern wirkte auch kulturell als ein europaweites Netzwerk.
Wie schön, wenn ein Nachfahre dem zu Lebzeiten vernachlässigten musikalischen Œuvre seines kosmopolitischen (Ur)-Großonkels Leopold zu neuer Hörerschaft verhilft! Nachdem er bereits Aufnahmen von Kammermusik mit Klavier und zwei CDs mit Orchesterwerken angeregt hat, hat sich der schwedische Cellist Tobias van der Pals jetzt mit dem von ihm begründeten Quartett der ersten drei Streichquartette angenommen. Vorzügliche Musik zwischen Spätromantik und Impressionismus, die der vorrangig an der Avantgarde Schönbergs orientierten Musikkritik der Nachkriegszeit wenig Freude bereitete und deshalb unbeachtet blieb, es jedoch unbedingt verdient, gehört zu werden.
Wieder einmal überbieten sich heute die Stimmen, die von einem „Zivilisationsbruch“ sprechen. Wenn dem so wäre, bestünde die gesamte Menschheitsgeschichte als Kontinuum schlicht aus fortwährenden Zivilisationsbrüchen. Eher schon kann der Begriff des „Paradigmenwechsels“ zutreffen, und dies auch in der Kultur. Einen solchen Wechsel erblicke ich in dem Unterschied zwischen Vittorio Gianninis grandiosem späten Melodram The Medead für hohen Sopran und Orchester, wo sich eine einzige Stimme 40 Minuten gegen die Stürme des vollen Orchesters behaupten muss, und dem nur 18 Jahre später entstandenen In Memory of a Summer Day für verstärkten Sopran und Orchester (1978) von David Del Tredici, wo das vergleichbare Kräftemessen nur noch scheinbar existiert
Die Kombination von Orgel und Panflöte ist ebenso sinnig wie traditionell. Nicht nur, dass beide Instrumente auf dem gleichen Prinzip der Tonerzeugung beruhen, auch, dass selbst eine kleine Panflöte mit dem Rieseninstrument Orgel dynamisch mithalten kann, spricht dafür. Andere Kombinationen wie etwa Orgel und Cello oder auch Gitarre sind da weitaus problematischer. Einiges, was in der Vergangenheit von Gheorghe Zamfir und diversen anderen Interpreten geboten wurde, war reichlich kitschig. Seichte Melodien und auf den Effekt hin getunte Volksliedarrangements erschöpfen sich eben schnell. Was man dagegen mit der Kombination alles machen kann, zeigt diese CD, die der Dresdner Kreuzorganist Holger Gehring und der Panflötist Sebastian Pachel eingespielt haben.
„Warum nicht einmal ein absolutes Repertoirestück mit zwei Raritäten von Priester-Komponisten aus der selben Zeit konfrontieren?“ mag sich Pianist und Romancier Yorck Kronenberg gedacht haben. Den einen dieser geistlichen Herren kennt man vielleicht aus musikhistorischen Abhandlungen. Es ist der seinerzeit als Kompositionslehrer sehr geschätze Padre Giovanni Battista Martini (1706-1784). Den anderen, Johann Franz Sterkel (1750-1817), muss man erst in den einschlägigen Lexika nachschlagen. Und das zugehörige Repertoire-Stück ist Mozarts Klavierkonzert KV 466.
Klein aber Oho! Das kann man wohl als Quintessenz von dieser Einspielung behaupten, die in die faszinierende Klangwelt des Piccolos einführt. Haika Lübcke, Solo Piccolo-Flötistin beim Tonhalle Orchester Zürich, hat eine bemerkenswerte CD aufgenommen, die der Legende von Marsyas und Apollo nachspürt. Ersterer, ein Flöte spielender Satyr, hatte den Gott der Musik herausgefordert – und verloren, weil der Gott zu einer höchst menschlichen List gegriffen hatte: er setzte zusätzlich zur Leier noch seinen göttlichen Gesang ein. Und dagegen hatte der Herausforderer keine Chance.
Den Namen Pisendel hat man womöglich im Zusammenhang mit den Konzerten Antonio Vivaldis mit dem Zusatz „fatto per il Sig. Pisendel“ gehört. Auch wird des öfteren vermutet, dass J. S. Bach seine 6 Sonaten und Partiten für Solo-Violine für den Dresdner Konzertmeister schrieb. Geiger wissen möglicherweise, dass Johann Georg Pisendel (1687-1760) neben Vivaldi, Pietro Locatelli und Jean-Marie Leclair zu den bedeutendsten Geigern des 18. Jahrhunderts gehört. Dass er auch hinreißend zu komponieren vermochte, zeigt die vorliegende CD.
Die Gründerzeit im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts liebte es, die „Gute alte Zeit“ zu reflektieren und sich historisch zu kostümieren. In der Architektur verfuhr man gern nach dem Motto „Der Rohbau ist fertig, jetzt muss bloß noch der Stil dran“. Ähnliches geschah in der Musik. Nach Tristans Fieberekstasen benötigte man zur Abkühlung heiter-gemütvolle Serenaden im Stil Carl Loewes und Albert Lortzings gewürzt mit einer Prise mendelssohnischen Elfenzaubers
So verschieden die beiden dritten Klavierkonzerte von Einojuhani Rautavaara und Bohuslav Martinů zunächst erscheinen mögen, lässt doch die Zusammenstellung beider Werke auf einer CD, wie man sie hier von Olli Mustonen und der Sinfonia Lahti unter der Leitung von Dalia Stasevska dargeboten bekommt, über alle Stil-, Orts- und Zeitgrenzen hinweg interessante Parallelen zwischen den Kompositionen deutlich werden. Von den zeitlichen Proportionen einmal abgesehen – die Stücke sind ähnlich lang und der langsame Mittelsatz ist jeweils der längste –, verbindet das 1948 vollendete Konzert des 1890 geborenen tschechischen Komponisten und das ein halbes Jahrhundert jüngere seines 1928 geborenen finnischen Kollegen die Hinneigung zu Folklore und Naturmystik.
Kaija Saariaho: Choral Music Helsinki Chamber Choir
BIS 2662
1 CD/SACD stereo/surround • 82min • 2022
31.12.2023 • 10 10 10
Die finnische Komponistin Kaija Saariaho entwarf faszinierende Klangwelten, nicht nur, weil sie in vielen ihrer Werke Elektronik einsetzte, um Klänge zu verfremden, sondern auch, weil sie Klänge neu erfunden, zusammengesetzt oder fragmentiert hat. Zu hören ist dies sehr schön auf dieser CD, die ihrem Schaffen für Chor gewidmet ist. Der Helsinki Chamber Choir widmet sich unter der Leitung von Nils Schwenckendiek Vokalwerken der im Juni 2023 verstorbenen Komponistin. Besondere Einblicke in ihre Komponierwerkstatt erlaubt nicht zuletzt die Tatsache, dass einer der hier aufgenommenen Zyklen in zwei Versionen zu hören ist. Nuits, adieux gibt es in Versionen für vier Sänger und Elektronik und für vier Solisten und Chor.
Eine schöne Neuentdeckung gerade auch für die, die bereits Teile von Respighis musikalischem Schaffen kennen. Wunderbar lautmalerische Musik, die Bilder im Kopf entstehen lässt. Dem Orchestre Philharmonique Royal de Liège gelingt unter der Leitung von John Neschling die Gratwanderung zwischen sinfonischem Klang und Transparenz der an der Alten Musik angelehnten Musik.
Nur wer sich intensiver mit der deutschen Kirchenmusikgeschichte des 18. Jahrhunderts beschäftigt hat, wird auf den Namen des Magdeburger Musikdirektors Johann Heinrich Rolle (1716-1785) gestoßen sein. Seine Lukas-Passion entstand 1744 und weist deutliche Einflüsse der Berliner Schule um C.Ph.E. Bach, Karl Heinrich Graun und Georg Benda auf. Michael Alexander Willens, der mit seiner Kölner Akademie 2015 schon Rolles Matthäus-Passion von 1748 aufgenommen hat, liefert eine fulminante Ersteinspielung.
Neben Sonate und Suite gehörte die Solo-Kantate mit Continuo zu den wichtigsten, jedoch bisher eher vernachlässigten Gattungen barocker Kammermusik. Alessandro Scarlatti, Vater des Hände-kreuzenden Domenico, definierte in seinen 500 Kompositionen ihre endgültige Form, der dann Händel, Telemann und sogar die Franzosen Rameau und Boismortier Tribut zollten. Lucie Richardot und Philip Grisvard brechen mit stilsicherer Virtuosität absolut überzeugend eine Lanze für dieses vernachlässigte Genre.
Samuel Scheidt (1587-1654), durchaus ein Name für wirkungsvolle Instrumentalstücke – besonders für Bläser – und die Orgelwerke der Tabulatura Nova, wird als Vokalkomponist immer noch unterschätzt. Abhilfe kommt jetzt aus St. Gallen mit der Weltersteinspielung aller 12 geistlichen Konzerte für zwei Singstimmen und Generalbass, die er im Jahre 1635 unter dem typisch barocken Titel „Liebliche Krafft Blümlein“ in Druck gab. [...]
Auch wenn der Thomaskantor Johann Hermann Schein (1586-1630) mit Schütz und Scheidt zu den drei großen „S“ des musikalischen Frühbarocks gehört, wird er im Konzertleben eher wenig berücksichtigt. Zu Unrecht, wenn man sein 1623 veröffentlichtes Israelsbrünnlein hört, diese Sammlung von „geistlichen Madrigalen“ in „Italian-Madrigalischer Manier“, wie Schein selber es ziemlich widersprüchlich formuliert. Das Booklet erklärt es kundig: Motetten sind geistliche Vokalwerke in lateinischer Sprache, die den Text auslegen. Madrigale sind weltliche Vokalwerke in deutscher Sprache, die die Musik zu emotionaler Sprache werden lassen, zu einer „rhythmisch einheitliche(n) Deklamation, um diese Rede textverständlich zu halten“.
Piano Trios • Notturno • Rondo • Arpeggione Sonata
Ondine ODE1394-2D
2 CD • 2h 17min • 2021
26.04.2023 • 10 10 10
Für mich die neue Referenz der beiden großen, quasi sinfonischen Schubert-Trios. Todesnähe des Pianisten traf bei der Aufnahme auf die Todesnähe des Komponisten und ließ einen gloriosen Abschied gelingen. Nicht das kleinste Detail wird unterschlagen und doch verbreitet die große Linie einen Sog und eine Spannung, die zum Zuhören zwingt, „in eine andere Welt versetzt“ und die Längen wirklich himmlisch werden lässt.
Die drei bekannten Sonatinen für Violine und Klavier in D-Dur, a-Moll und g-Moll von Franz Schubert aus dem Jahr 1816 wurden vom Komponisten als Sonaten bezeichnet, doch der rührige Verleger Diabelli versprach sich vom verniedlichenden Titel einen größeren Verkaufserfolg. Acht Jahre später, Schubert war inzwischen 27 Jahre alt, erschien die a-Moll-Sonate für „Arpeggione“, ein hybrides Instrument zwischen Gitarre und Violoncell, das bald in Vergessenheit geriet. Nicht aber das großartige Stück, das heute meist auf dem Cello gespielt wird.
Ohne die Kunst des Dirigenten András Keller und seines Concerto Budapest schmälern zu wollen: Der eigentliche Star dieser Aufnahme der Großen C-Dur-Symphonie von Franz Schubert ist die Aufnahmetechnik, hier als „5.1 Version Real Surround Sound“ bezeichnet. Im Booklet ist eine Grafik, die das Hörerlebnis veranschaulicht: Der Hörer sitzt in der Mitte aller Orchesterinstrumente, die ringsum angeordnet sind. Und so fühlt man sich auch: inmitten des Orchesters, inmitten des Klanggetöses wie im Auge des Orkans. Der Klang kommt von hinten, von vorne, von allen Seiten und wirkt deswegen bisweilen etwas gewaltsam. Aber man hört wirklich alle einzelnen Instrumentengruppen
Um einen Chor richtig würdigen zu können, muss man dessen Kunst, a capella zu singen betrachten. Dazu eignen sich auf dieser Aufnahme mit Chorwerken von Robert Schumann die Vier doppelchörige Gesänge op. 141 hervorragend: Mit warmweichem und schwebend leichtem Chorklang, wohlig-satten Septakkorden und bisweilen berstender Akkordwucht singt der Swedish Radio Choir diese inhaltlich relativ geschlossenen vier Chorwerke, die alle textlich einen transzendenten Drang nach oben haben.
Wenn es Stücke gibt, in welchen sich die phänomenalen Qualitäten der BIS-Aufnahme- und Abmischungstechnik ganz besonders lohnen, sind es die beiden wichtigsten Orchesterwerke Alexander Skriabins, die hier in sehr hochkarätigen Darbietungen mit sensationellem Klangbild dokumentiert sind. Das Album könnte ohne jede Prätention auch schlicht ’Scriabin the Ecstatic’ heißen. [...]
Der Prager Romantiker Hans Seeling hinterließ bei seinem frühen Tod nur ein schmales Gesamtwerk, das ausschließlich aus Klavierstücken besteht, die zum Teil autobiographisch inspiriert sind. Karl-Andreas Kollys Einspielung ausgewählter Werke Seelings führt in eine hochpoetische Welt, die der Pianist, ebenso virtuos wie einfühlsam, zu neuem Leben erweckt.
Ein besonders Schostakowitsch-Album: "Works Unveiled" verspricht uns das Cover der SACD – dem Vergessen entrissene, "enthüllte" Werke mithin. Als "Entdecker" fungiert hier der französische Pianist Nicolas Stavy. Tatsächlich gibt es einige Überraschungen, von deren Existenz bislang wohl nur die Wenigsten etwas gewusst haben dürften: Das ist vor allem der von Schostakowitsch persönlich erstellte Klavierauszug der Sinfonie Nr. 14. Doch halt: Um einen reinen Klavierauszug handelt es sich hier nicht. Auch der Part für Schlagzeug ist inbegriffen – auf dieser Aufnahme von einem einzigen Musiker – Florent Jodelet – gespielt.
Auch wenn ich bei dieser CD die volle Punktzahl vergebe, muss ich alle Hörer, die mit Musik des 20. und 21. Jahrhunderts nichts anfangen können, warnen, dass sie mit dieser Einspielung wohl nicht viel Freude haben werden. Die Empfehlung des formidablen Debüt-Albums von Klarinetten-Ausnahmebegabung Jonas Frølund gilt hingegen für alle Neugierigen, die neue Klangwelten für sich entdecken möchten. Denn fragt man nach dänischen Komponisten, erhält man in Deutschland – wenn überhaupt – nur Carl Nielsen und womöglich Niels Wilhelm Gade zur Antwort.
Emánuel Moór war nicht nur ein u.a. von Pablo Casals sehr geschätzter Komponist der Brahms-Nachfolge, sondern in seinen späten Jahren auch der Erfinder eines zweimanualigen Klaviers. Ein Exemplar davon haben der Cellist David Stromberg und der Pianist Florian Uhlig ausfindig machen können und so auf diesem Album den Klang dieses Instruments in unsere Zeit transportiert. Eine faszinierende, facettenreiche Entdeckung, auch in Sachen Repertoire und Darbietungen sehr gelungen.
Die Matthäus-Passion von Johann Sebastian Bach kennt so ziemlich jeder. Die Matthäuspassion von Bent Sørensen sollte jeder kennen. Der dänische Komponist hat die Leidensgeschichte Jesu auif spannende Weise neu vertont, das Ensemble Allegria und der Norwegian Soloists Choir unter der Leitung von Grete Pedersen bringen sie auf eindringliche Weise zum Klingen.
Lieder und Duette aus 4 Jahrhunderten auf Texte von William Shakespeare sind hier auf dramaturgisch einleuchtende Weise und in exemplarischen Interpretationen zusammengestellt, wobei das in verschiedensten Repertoires bewährte Team Carolyn Sampson (Sopran) und Joseph Middleton (Klavier) durch den ebenbürtigen Bariton Roderick Williams ergänzt wird.
Christoffer Sundquist und die NDR Radiophilharmonie Hannover legen erstmalig sämtliche Werke für Klarinette und Orchester von Louis Spohr (1784-1859) vor. Diese sind durchweg aufregend und spannend, gehen sie doch in ihren virtuosen Anforderungen weit über die Klarinetten-Werke Mozarts und Carl Maria von Webers hinaus. So etwas kann passieren, wenn ein Geiger für Blasinstrumente schreibt und der Auftraggeber alle Energie dareinsetzt, die Anforderungen des Komponisten zu erfüllen.
Haben Sie gerade so richtig schlechte Laune? Wenn ja, dann empfehle ich als musikalischer Hausapotheker die neue CD mit Klarinettenkonzerten von Carl Anton Stamitz (1745-1801), die Paul Meyer – mit Sabine Meyer weder verwandt noch verschwägert und aus Frankreich gebürtig – und das Kurpfälzische Kammerorchester gerade veröffentlicht haben. Deren Musizierlust dürfte selbst die dicksten Sorgenfalten glätten und Ihnen ein breites Grinsen ins Gesicht zaubern.
Johann Stamitz (1717-1757) gilt als einer der Väter der Mannheimer Schule. Wurden bis dato nur seine Orchestersinfonien als Meilensteine am Weg zur klassischen Sinfonie gewürdigt, nehmen sich jetzt David Castro-Balbi und das Württembergische Kammerorchester Heilbronn unter Howard Griffith dreier seiner hochvirtuosen Violinkonzerte an und ergänzen sie um eine seiner Sinfonien. Die Konzerte lassen in ihrer Ritornellform zwar noch den italienischen Typus erahnen, verwenden innerhalb der Ritornelle jedoch den Affekt wechselnde Kontraste. Spannend!
Toru Takemitsu (1930-1996) ist bis heute unbestritten der wichtigste japanische Komponist. Anfangs vor allem durch französische Musik beeinflusst, probierte er ab den 1950ern so ziemlich alle Avantgarde-Techniken aus, integrierte bald auch typisch japanische Instrumente wie Biwa oder Shakuhachi in klassische Besetzungen. Seine Orchestermusik ist von enormer Farbigkeit und Sensibilität; ihr Wohlklang ab den späten 1970er Jahren erinnert stark an Berg, Messiaen oder Dutilleux
Will man mehrheitlich bekannte Werke Georg Philipp Telemanns einspielen, muss man sich schon etwas Besonderes einfallen lassen, mag sich das Bremer Barockorchester gesagt haben. So kommt die Hamburger Ebb‘ und Fluth zu einer Windmaschine und Pauken. Folkloristische Anleihen werden durch riesige Rubati verdeutlicht, die live die Spannung steigern, aber auf CD vielleicht etwas „over the top“ sein mögen. Geschmackssache. Brillant und gekonnt musiziert wird jedoch auf jeden Fall.
Auf dem vorliegenden achten Teil der Gesamteinspielung durchkreuzt die Geigerin Elizabeth Wallfisch mit ihrem Ensemble The Wallfisch Band das Meer von Telemanns Violinkonzerten mit einer reichhaltigen Auswahl aus dem schier unerschöpflich scheinenden Œuvre, das die nimmermüde Fantasie Telemanns an konzertanten Kompositionen für eine oder mehrere Violinen hinterlassen hat. Frühe Kompositionen der Eisenacher Zeit gesellen sich zu Meisterwerken der 1730er Jahre, als Telemann bereits ein in ganz Europa gerühmter Komponist war und als „director musices“ das Musikleben der reichen Hansestadt Hamburg leitete.
Die zweite Folge aller Kantaten des „Französischen Jahrgangs 1714/1715“ von Georg Philipp Telemann ist wieder eine glorreiche Unternehmung. Und man ist erstaunt, ja verblüfft, ob der hohen, stets wortgezeugten Kompositionskunst Telemanns – vor allem in den Rezitativen, die ja schnell langweilen können – und ob der großen Vielfalt in einer kompakten, am Szenenaufbau der französischen Oper Lullys orientierten Struktur mit vielen französischen Tanzformen sowie der oft ausgefallenen Klangfarben. Demzufolge schwärmt das kenntnisreiche und ausführliche Booklet mit Recht und weist insbesondere darauf hin, dass die Bezeichnung „Französische Kantaten“ daher rührt, dass Telemann sich hier dem französischen Stil verschreibt, auch mit den typisch punktierten Ouvertüren.
Ein Alter von 86 Jahren zu erreichen ist für einen Komponisten im 18. Jahrhundert eine Besonderheit. Mit 86 Jahren aber noch so eminent und vielfältig produktiv zu sein, ist noch erstaunlicher. Was Georg Philipp Telemann, der ja Zeit seines Lebens so ungemein fleißig gewesen ist, noch kurz vor deinem Tod melodisch, stilistisch und variabel zu Papier gebracht ist, ist fast unvorstellbar. Als „Schwanengesang“ betitelt Michael Schneider und sein Einsemble La Stagione Frankfurt diese Sammlung von Ouvertüren und Sinfonien, die Telemann in seinen letzten Jahren komponiert und Ludwig VIII., Landgrafen von Hessen-Darmstadt, gewidmet hat.
Mutig war das Lux Nova Duo immer schon – es bewies mit dem Zusammenschluss der Instrumente Akkordeon (Lydia Schmidl) und Gitarre (Jorge Paz Verastegui) zu einem festen Duo bereits Mut. Und daran hat sich seit der Gründung der Formation im Jahr 2012 nichts geändert, ganz im Gegenteil! Nach den beiden ersten Genuin-Veröffentlichungen, die sich mit Johann Sebastian Bachs Musik in der Gegenüberstellung mit der Musik teils zeitgenössischer Komponisten befasste, folgte ebenfalls bei Genuin eine CD ausschließlich mit Werken des zeitgenössischen Komponisten Leo Brouwer, mit dem das Duo eng zusammenarbeitete
Auf eine Virtuosenreise durch deutsche musikalische Landschaften am Anfang des 18. Jahrhunderts lädt Johannes Pramsohler mit seinem Ensemble Diderot seine Zuörer auf dieser CD ein. Dabei richtet er seine Aufmerksamkeit auf Werke, die Komponisten in der ersten Hälfte des 18. Jahrhundert in ihr musikalisches Gepäck einsortierten, wenn sie sich auf Reisen begaben, um ihr Talent an anderen Wirkungsstätten vorzustellen und sich erhofften, für ihre Kunst Interesse zu wecken. Hier galt es also, zwei Zielvorgaben zu berücksichtigen: einerseits, seine Fertigkeiten in einer Weise zu präsentieren, dass aus dem Auftritt in der Fremde lukrative Aufträge für die eigene kompositorische Produktion gewonnen werden konnten und die Mühen und Kosten einer solchen Promotionstour in eigener Sache amortisiert werden konnten – andrerseits mussten die ins Gepäck genommenen Werke mit einem Minimum an Aufwand an Aufführungssituationen anderenorts anzupassen sein.
Für Maurice Steger, den 1971 in Winterthur geborenen Flötisten, Dirigenten. Professor und Leiter einiger Festivals, hat Bach eindeutig zu wenig für Flöte komponiert – also hat er sich selber, zusammen mit seinem Cembalo-Freund Sebastian Wienand, einiges von Bach für Flöte arrangiert und auf dieser CD versammelt. „Bach wird durch Maurice Stegers Interpretation zum überzeugenden Blockflötisten“, rühmt der Musikwissenschaftler Bernhard Schrammek aus Berlin im recht ausführlichen Booklet, das alle Werke genau beschreibt.
Eine Geige links, eine rechts, und der Basso Continuo sitzt dazwischen, vielleicht auch rechts vom Duo: So kennt man aus Konzerten und von Einspielungen her die Aufstellung einer barocken Triosonaten-Besetzung. Mehr oder weniger so positioniert wird man vor 300 oder 350 Jahren auch gespielt haben. Die eine Dame und die drei Herren des Ensembles Urban Strings aber haben für die Sonate Nr. 4 d-moll „Die Darstellung im Tempel“ aus den Mysteriensonaten von Heinrich Ignaz Franz von Biber eine hübsche Idee und machen damit ihrem Label „Raumklang“ alle Ehre
Tristan und Isolde Paraphrase for String Septet by Martina Trumpp
Coviello Classics COV 92311
1 CD • 58min • [P]
11.10.2023 • 10 10 10
Man möchte es zunächst nicht glauben: Wagners Tristan und Isolde auf nur einer CD, die sogar nur eine Spieldauer von knapp einer Stunde hat und dann auch noch ohne das ganze große Aufgebot an Sängerinnen und Sängern? Aber ja, tatsächlich ist dem Solistenensemble D’Accord mit seiner Aufnahme eine ganz ungewöhliche Version gelungen. Das Ensemble hat sich in den vergangenen Jahren mit seinen kammermusikalischen Bearbeitungen einen Namen gemacht, die vor allem von Ensembleleiterin und Geigerin Martina Trumpp erstellt wurden. Wenn man so will, spielte die Corona-Zeit dem Ensemble so gesehen fast ein wenig in die Hände, denn wohl in keiner anderen Zeit zuvor waren kammermusikalische Bearbeitungen groß besetzter Werke so gefragt.
Der norwegische Fagottist Dag Jensen, der 1984 jeweils zweite Preise beim ARD-Musikwettbewerb gewann – ein einziger erster Preis wurde bisher nur 2008 vergeben – seine Karriere in bedeutenden Orchestern fortsetzte und jetzt die Professur an der Münchner Musikhochschule innehat, kombiniert auf seiner neuesten CD mit den Konzerten von Carl-Maria von Weber und Bernhard Crusell zwei Schlachtrösser des Repertoires und beschließt die Aufnahme mit dem für ihn im Jahre 2022 ganz frisch komponierten Fagottkonzert seines Landsmannes Olav Berg.
Die Liederauswahl dieser CD mit dem Titel „Winter Journeys“, der natürlich an Schuberts Winterreise anklingt, ist zunächst irritierend, dann überraschend und schließlich doch schlüssig: Es ist eine wundersame Mischung aus Winter, Weihnachten und Sehnsucht nach Frühling und Liebe, aus Solo-Liedern und Chorgesängen, die fast alle aus der Renaissance und dem Frühbarock stammen: eine andere Art Weihnachten und eine andere Art Winterreise voller Herbheit und Süße.