Mit dieser zweiten CD vollendet Christoph Eschenbach seine Einspielung von Paul Hindemiths sieben Kammermusiken mit ganz außerordentlichen Nachwuchsmusikern. Es spielen wieder Streicher der Kronberg Academy, aus deren Reihen sich auch die drei Solisten – alle zwischen 22 und 24 Jahren jung – rekrutieren, sowie Bläser des Schleswig-Holstein Festival Orchestras.
CDs der Woche der zurückliegenden Jahre:
Beethoven
Ghost Trio • Triple Concerto Beethoven Trio Bonn
CAvi-music 8553108
1 CD • 59min • 2018
04.01.2021 • 10 10 10
Was wären manche Werke ohne die ihnen nachträglich verliehenen Namen? Im Zeitalter der frühen Romantik und des Geniekults war Ludwig van Beethoven hier ein besonders „dankbares Opfer“. Dabei stammen nur die Adjektive „pathetique“ und „eroica“ von ihm selbst. Waldstein, Rasumowsky und „Erzherzog“ bezeichnen die Widmungsträger. „Hammerklavier“ ist schlicht eine Eindeutschung für Fortepiano. „Mondschein“, „Pastorale“ für op. 28, „Appassionata“ etc. wurden jedoch zumeist von geschäftstüchtigen Verlegern aus Marketinggründen erfunden.
Stefan Hussong plays works by Lindberg, Mendoza, Smolka, Lee, Kim and Eagle
Thorofon CTH2664
1 CD • 71min • 2010, 2019, 2018
11.01.2021 • 10 10 10
Zugegeben, leichte Kost ist diese CD nicht. Stefan Hussong hat sechs Werke zeitgenössischer Komponistinnen und Komponisten eingespielt, die das Akkordeon als zeitgenössisches Instrument vorstellen. Das ist nichts zum nebenbei hören, hochspannend ist es gleichwohl. Denn die Werke sind ebenso wie die musikalischen Ansätze der Komponisten so unterschiedlich wie reizvoll.
Kalevi Aho hat 2010-11 mit Sieidi nicht nur sein mit bisher mehr als 80 Aufführungen erfolgreichstes Werk geschrieben (hierzulande mit großen Erfolgen von Martin Grubinger dargeboten), sondern überhaupt ein Schlagzeugkonzert von so phänomenalem Zuschnitt, dass man vielleicht vom bisherigen Gipfelpunkt der Gattung sprechen kann.
Wer nur zwei Sonaten für Klavier und Violine von Ludwig van Beethoven für eine CD programmieren will, greift meist – wie auch in dieser Einspielung – zu Kreutzer- und ergänzend zur Frühlings-Sonate. Wer es etwas düsterer mag, kann zur c-moll Sonate op. 30,2 greifen. Die meist nur in Gesamtaufnahmen berücksichtigte, liebliche G-Dur-Sonate op. 30,3 ist hingegen eine durchaus originelle Wahl.
Kammermusik IV - V - VI - VII Christoph Eschenbach
Ondine ODE 1357-2
1 CD • 73min • 2019
01.02.2021 • 10 10 10
Mit dieser zweiten CD vollendet Christoph Eschenbach seine Einspielung von Paul Hindemiths sieben Kammermusiken mit ganz außerordentlichen Nachwuchsmusikern. Es spielen wieder Streicher der Kronberg Academy, aus deren Reihen sich auch die drei Solisten – alle zwischen 22 und 24 Jahren jung – rekrutieren, sowie Bläser des Schleswig-Holstein Festival Orchestras.
Die zweite Folge der Einspielung ausgewählter Orgelwerke von Johann Nepomuk David durch Roman Summereder ist erschienen und wieder kann man konstatieren: Volltreffer! Hier spielt der Experte schlechthin für das Repertoire der Nachkriegszeit – beider Weltkriege – auf den passenden Instrumenten ein Repertoire, das leider geradezu sträflich vernachlässigt wird.
Wind Quintets by Dubugnon • Taffanel • Holst • Françaix
Monet Quintett
CAvi-music 8553008
1 CD • 70min • 2018, 2019
15.02.2021 • 10 10 10
Flöte, Oboe, Klarinette, Fagott, Horn – und fertig ist das Holzbläserquintett. Hört sich unkompliziert an, zumal ein Großteil des Repertoires vergnüglich und unbeschwert zu sein scheint. So auch auf dieser CD, die vom jungen Monet Quintett eingespielt wurde. Richard Dubugnons Frenglish Suite etwa oder Paul Taffanels g-Moll Quintett sind schöne Beispiele hierfür
Mit seinem immensem Sonatenschaffen bedarf Haydn als Komponist von Klaviermusik nach vielen Präsentationen in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts keiner Rechtfertigung mehr. Die finnische Fortepianistin Tuija Hakkila hat hier acht frühe Sonaten Haydns auf dem Hammerklavier eingespielt, die einerseits Haydns epochale Bedeutung in der Entwicklung der klassischen Klaviersonate demonstrieren, auf der anderen Seite allerdings puren Hörgenuss bieten.
Als Franz Schubert im Jahre 1816 seine drei Sonaten für Violine und Klavier schrieb, waren ihm in der Gattung des Lieds bereits bahnbrechende Meisterwerke wie „Gretchen am Spinnrade“(1814) „Wanderers Nachtlied“, „Rastlose Liebe“ und „Erkönig“ (alle 1815) gelungen. Hier konnte er schon früh seiner Phantasie freien Lauf lassen und sah sich weniger an Muster und Vorbilder gebunden wie in der Instrumentalkomposition.
Mephisto Walzer on String Bearbeitungen und Komposition von André Parfenov für Violine und Klavier
Naxos 8.551445
1 CD • 53min • 2020
08.03.2021 • 10 10 10
Im Jahr 1861 vollendete Franz Liszt sein Orchesterwerk Zwei Episoden aus Lenaus Faust, dessen zweiter Teil, Der Tanz in der Dorfschenke, in der Klavierfassung als „Mephisto-Walzer“ bekannt wurde. Die Idee löste sich vom ursprünglichen Programm, und Liszt schuf sich mit weiteren Mephisto-Stücken gewissermaßen eine eigene Untergattung tänzerischer Instrumentalmusik
Martinus Ræhs (1702-1766) wurde in der dänischen Kleinstadt Horsens als Sohn des Meisters der Stadtpfeifer geboren. Sein Vater wurde später Chef der Ratsmusik in Aarhus und vererbte diese Stelle seinem Sohn. Dessen Hauptinstrument war die Traversflöte, die er – wenn man von den 13 überlieferten Sonaten für dieses Instrument ausgeht – ähnlich virtuos beherrschte wie seine Zeitgenossen Michel Blavet und Johann Joachim Quantz.
Die Schnittstelle für die neue CD der frankoschweizerischen Cellistin Estelle Revaz ist die Stadt Genf: Sie selbst lebt in dieser Stadt, ebenso der junge Komponist Xavier Dayer. Und vor allem war Genf die Wirkungsstätte des Komponisten Frank Martin. Mit dem Orchestre de Chambre de Genève existiert hier ein Klangkörper, der sich auf Augenhöhe mit dieser Ausnahmeintepretin bewegt
Eine akustische Zeitreise in die Hansestädte Hamburg und Lübeck zur Zeit des 30-jährigen Krieges. Reiseführer: ein über alle Kniffe der Interpretation von Tastenmusik des 17. Jhds. verfügender Holländer an einem Instrument, das über die richtigen Klangfarben verfügt.
Mit den rund 130 erhaltenen Ouvertüren-Suiten Georg Philipp Telemanns könnte man locker 35 CDs füllen. Deshalb ist es nicht verwunderlich, dass in diesem Genre immer noch unentdeckte Trouvaillen auf die Hörer warten. Die von Jean Baptiste Lully ab ca. 1660 geprägte französische Barockoper wurde entscheidend durch das Ballett geprägt. Somit lag es nahe, aus diesen Werken, von denen erstaunlich früh Druckausgaben vorlagen, die rein instrumentalen Stücke zu Satzfolgen (Suiten) zusammenzustellen.
Alex Freeman (Jg. 1972), Amerikaner und Wahlfinne, hat in seinem Chorstück Under the Arching Heavens (Unter dem Himmelsbogen) den interessanten Versuch unternommen, die herkömmliche Liturgie des Requiems mit weltlichen Dichtungen aufzubrechen und zu erweitern. Anlaß war ein Auftrag des Helsinki Chamber Choir und seines Leiters Nils Schweckendiek, zum 100. Jahrestag des Finnischen Bürgerkriegs von 1918 eine Totenmesse zu schreiben.
Suchte man das Klavierwerk, wo die für Olivier Messiaens Musik typischsten Elemente – seine berühmten „Modi“, erweiterte Akkordfolgen jenseits der Funktionsharmonik, stilisierte Vogelgesänge, „unumkehrbare“ Rhythmen, und nicht zuletzt sein unverhohlener Katholizismus – sämtlich in konzentrierter Form in Erscheinung treten, wird wohl spontan sein etwas über zwei Stunden langer Zyklus Vingt Regards sur l’Enfant-Jésus von 1944 genannt werden.
Nach den Mozart-Klaviertrios bringt das über die Jahre bewährte Trio um Daniel Barenboim – mit seinem Sohn Michael Barenboim an der Geige und Kian Soltani am Cello – nun Klaviertrios von Beethoven: die drei erstaunlichen Werke op. 1, die beiden op. 70, das Erzherzog-Trio op. 97 und die Kakadu-Variationen op. 121a. Von der Gesamtwirkung ist das Ergebnis noch überzeugender als bei Mozart, was insbesondere damit zusammenhängt, dass Michael Barenboim hier im Forte nicht jene Zurückhaltung pflegt, die er bei Mozart für angemessen hielt
Das Gitarren-Mandolinen-Duo, das bereits seit 1997 gemeinsam musikalisch unterwegs ist, vermag mit seiner neuen CD genau die richtige Mischung herzustellen zwischen angenehmem Flow und Entspannung. „Durch Raum und Zeit“ heißt die Einspielung, die bei Naxos erschienen ist und sie fasst unter diesem Titel den Konsens der gemeinsamen Arbeit des Duos zusammen.
Es hat sich eingebürgert, dass Musiker ihre jeweils jüngsten Einspielungen als „Momentaufnahme“ bezeichnen. So geht Thomas Albertus Irnberger nicht vor. Wenn es einen Zug gibt, der die thematisch weitgespannte, um die 50 CDs umfassende Diskographie des österreichischen Geigers vereinigt, dann den, dass er jeweils gültige Interpretationen vorlegt. Natürlich können sich diese noch verändern, aber Irnberger geht mit einem Werk erst ins Studio, wenn er es nach langer intensiver Beschäftigung vollends durchdrungen und begriffen hat – gleichsam zu Ende gedacht
Seeluft gefällig? Lust auf zeitgenössische Musik von den Färöer, die die Ohren nicht beleidigt? Hier käme Sunleif Rasmussen, meisterhaft interpretiert von Michala Petri der „Grande Dame der Blockflöte“ gerade recht. Viele unterschiedliche Stimmungen warten auf neugierige Ohren!
Das in Moskau beheimatete Brahms-Trio legt bei Naxos die zweite Folge seiner Anthologie zur „Geschichte des russischen Klaviertrios“ vor. Anscheinend sind die Musiker darum bemüht, das Programm einer jeden CD dieser Reihe im Hinblick auf eine bestimmte Thematik zusammenzustellen. War die erste Folge mit Aljabjew, Glinka und Anton Rubinstein gewissermaßen den „Gründervätern“ der russischen Kammermusik gewidmet, so könnte über CD Nr. 2 das Motto „In Memoriam“ stehen, sind doch die beiden hier eingespielten Trios als persönliche Trauerarbeiten entstanden und jeweils dem Andenken eines großen Musikers gewidmet.
Dass auch sogenannte Kleinmeister zu mehr taugen, als den Namen zu Fughettenthemen zu verleihen, beweisen die Streichquartette von Friedrich Ernst Fesca. Handwerklich keinesfalls schlechter als Beethovens op. 18 oder die frühen Schubert oder Mendelssohn-Quartette. Melodisch, spannend, aber auch empfindungsreich.
Klaviersonaten sind im 20. Jahrhundert nicht etwa rar gesät, sie machen sich nur meistens rar auf vielen Konzertprogrammen. Dabei gäbe es jede Menge guter Beispiele abseits des spätromantischen Mainstreams, man denke nur an Komponisten wie Hindemith, Ives, Schönberg oder Eisler. Vier besonders interessante Sonaten russischer Provenienz hat die Pianistin Anastasia Yasko für diese CD aufgenommen. Darunter ist mit der neunten – und letzten – Sonate von Sergej Prokofiev ein selten gespieltes Werk, dessen Komponist allerdings alles andere als unbekannt ist.
Bénédiction de Dieu dans la Solitude Klavierwerke in Orgelfassungen
Ambiente-Audio ACD-2041
1 CD • 69min • 2020
14.06.2021 • 10 10 10
Vor fast 35 Jahren hat Johannes Geffert an der Klais-Orgel des Limburger Domes eine Aufnahme mit Orgelbearbeitungen von Klavierwerken Franz Liszts gemacht. Damals übertrafen sich die Kritiker mit überschwänglichen Lobeshymnen, eine Kritik gipfelte gar in den Worten, diese Aufnahme sei „besser als das Original“. Legendär ist sie in jedem Fall, auch heute noch, und zwar auch wenn das knackig intonierte neoklassische Limburger Instrument mitunter schon recht kräftig zimbelt.
Eine Brücke über fünf Jahrhunderte, von der Blütezeit der franko-flämischen Musik im 15. und 16. Jahrhundert bis ins 20. Jahrhundert und in die Gegenwart, schlägt das Ensemble New York Polyphony auf der vorliegenden SACD. Thema ist Musik für die Passionszeit, es erklingen Kompositionen von Loyset Compère (ca. 1445-1517), Josquin Desprez (ca. 1450-1521), Adrian Willaert (ca. 1490-1562) und Pierre de la Rue (ca. 1452-1518), sowie des Esten Cyrillus Kreek (1899-1962) und von Andrew Smith, 1970 in Liverpool geboren und seit seinem 15. Lebensjahr in Norwegen beheimatet.
Gordon Safari geht von Bachs Motette „Jesu, meine Freude“ aus und versammelt hier weitere Vertonungen dieses Textes in mehreren Text-Variationen und Kompositionsweisen. Die bach-Motette zeigt er dabei als ganz luftiges Chorwerk, zart und durchsichtig, freudig und wortgenau, teilweise rhetorisch furios. Die große Entdeckung ist die Vertonung von Johann Friedrich Doles, dem Schüler und Nachfolger Bachs als Thomaskantor, die hier zum ersten Mal auf Tonträger hörbar wird. Dessen „galanter Stil von berückender Eleganz“ (so Gordon Safari im Booklet) entzückt – genauso wie die glasklare, dabei wendige, artikulationsgenaue und wortdramatische Singweise des Chores des Ensembles BachWerkVokal. Diese CD mit dem Titel „Jesu meine Freude“ bietet mannigfache Freuden.
Works by Louis Couperin, Anita Mieze, Jacques Duphly, Jean-Philippe Rameau and Joseph-Nicolas-Pancrace Royer
Genuin GEN 21733
1 CD • 82min • 2021
05.07.2021 • 10 10 10
Musik des französischen Barocks und zeitgenössische Musik für Cembalo vereint Alexandra Ivanova auf ihrem CD-Debüt als Solistin in einem faszinierenden Brückenschlag über die Jahrhunderte: Neben drei bedeutenden Cembalomeistern der französischen Musik des 17. und 18. Jahrhunderts (Louis Couperin, Pancrace Royer und Jacques Duphly) erklingen Werke der 1980 geborenen lettischen Komponistin Anita Mieze – ihr Name ist übrigens nicht wie die deutsche Miezekatze auszusprechen, sondern mit einem „e“ nach dem „i“ und stimmhaftem „s“ in der Mitte, also etwa „Miësä“.
Johannes Brahms und Friedrich Gernsheim waren einander freundschaftlich verbunden und halfen sich gegenseitig bei der Verbreitung ihrer Werke: Brahms ermöglichte es Gernsheim, sein Klavierkonzert in Wien mit den Philharmonikern vorzustellen; der langjährige Rotterdamer Musikdirektor Gernsheim hatte wesentlichen Anteil an der Durchsetzung der Brahmsschen Musik in den Niederlanden. Da beide Komponisten dem gleichen Stilkreis angehören und Gernsheim wie sein sechs Jahre älterer Zeitgenosse drei Klavierquartette geschrieben hat, liegt der Gedanke durchaus nahe, sämtliche Werke, die Brahms und Gernsheim zu dieser Kammermusikgattung beigesteuert haben, in einer Doppel-Gesamtaufnahme einander gegenüberzustellen.
Works by Beethoven, Boulanger, Hamauzu, Nuss and Tailleferre
Genuin GEN 21747
1 CD • 62min • 2019, 2020
19.07.2021 • 10 10 10
Sakura – Frühling! So lautet der Titel dieser CD, mit der die Geigerin Malwina Sosnowski und der Pianist Benyamin Nuss dieser Jahreszeit und insbesondere der Zeit der japanischen Kirschblüte ihre Reverenz erweisen. Das fragile Blütenmeer fasziniert jedes Jahr aufs Neue, genauso wie diese spannende CD, die man gerne ein ums andere Mal hört, die aber nichts von ihrer Faszination verliert. Denn was Sosnowski und Nuss hier zusammengetragen haben, das versprüht geradezu den frühlinghaften Charme des Aufbruchs, musikalisch ebenso wie programmatisch.
Eight Scenes from the Lieder of Robert and Clara Schumann
BIS 2473
1 CD/SACD stereo/surround • 72min • 2018
26.07.2021 • 10 10 10
Eigentlich kann man heute nur noch schmunzeln über das biedermeierlich rückständige Frauenbild, das Adalbert von Chamisso in seinem Gedichtzyklus „Frauenliebe und-leben“ vermittelt: Liebe, Heirat, Mutterschaft und Witwendasein – das soll alles gewesen sein? Clara Schumann jedenfalls, schon damals eine weltbekannte Klaviervirtuosin, hat den Beweis erbracht, dass es auch noch anderes gibt, und sie war nicht begeistert von der Rolle, die ihr der geliebte Robert zugedacht hatte, als er sich 1840, in einer stürmischen Phase ihrer Beziehung, über Chamissos Dichtungen hermachte, wobei er das letzte Stück, den Rückblick der alten Frau, aussparte.
Wenn ‚Klassik-Menschen‘ Tango spielen – dann kann das durchaus auch daneben gehen. Nämlich dann, wenn es sich um Musikerinnen und Musiker handelt, die aufgrund ihrer exklusiven Ausbildung glauben, jede Musik spielen zu können, ohne sich ausgiebig mit ihren Besonderheiten zu befassen. Sind die entsprechenden Interpreten aber mit einem gesunden Respekt vor anderen Musiktraditionen und einer großen musikalischen Offenheit ausgestattet, so kann daraus etwas ganz Bezauberndes werden.
In Deutschland noch nicht ganz so bekannt, aber international seit gut 20 Jahren viel gespielt und mittlerweile vielleicht der meistaufgeführte schweizerische Komponist seiner Generation, kann Richard Dubugnon (Jahrgang 1968) auf der neuen BIS-SACD mit drei Werken mittlerer (beethovenscher) Orchesterbesetzung überzeugen – den Kammersymphonien Nr. 1 & 2 sowie Klavieriana, einem ausgewachsenen Klavierkonzert, bei dem zusätzlich eine obligate Celesta solistisch fungiert.
Der Titel „La clarinette parisienne“ charakterisiert eine Musik, die eben nur in Paris entstehen konnte. Das französische Klarinettenmodell, wie wir es heute kennen, war im Wesentlichen bereits um 1840 voll entwickelt. Als Böhm-Klarinette, benannt nach dem Flötenbauer Theobald Böhm, ist sie heute weltweit fast ausschließlich in Verwendung. Lediglich in Deutschland und Österreich findet sich das deutsche Modell, das erst Anfang des 20. Jahrhunderts im Vergleich zur Böhm-Klarinette technisch konkurrenzfähig wurde, bezüglich der Tonqualität diesem jedoch zunächst überlegen war.
Die mittlerweile dritte Veröffentlichung des Kammerorchesters Metamorphosen Berlin setzt in mehrfacher Hinsicht die Linie ihrer beiden Vorgänger fort. Nach einem (überwiegend) tschechischen und einem russischen Album steht diesmal Großbritannien im Mittelpunkt, und erneut werden Klassiker des Repertoires aus dem späten 19. und frühen 20. Jahrhundert (u.a. dem Serenadengenre zugehörig) um Transkriptionen aus der Feder Wolfgang Emanuel Schmidts ergänzt; sogar eine kleine Zugabe ist enthalten.
Verklärt blickt Olivier Latry auf dem Cover seiner neuen CD gen Himmel, Nebelfetzen umwabern den weißen Spieltisch an dem der Maître vor dunklem Hintergrund sitzt und auch das Repertoire passt zu dieser Inszenierung: Liszt. Der geniale Virtuose, Meister der Selbstinszenierung und spätere mönchische Einsiedler, musikalisch hat er neue Maßstäbe gesetzt. Das tut zweifelsohne auch Latry.
Eine Riege internationaler Topsolisten unterstützt Thomas Dausgaard und sein Schwedisches Kammerorchester bei ihrem Brandenburg Project. Neben Bachs 6 Brandenburgischen Konzerten erleben wir darüber hinaus sechs vielschichtige Auftragskonzerte bedeutender, zeitgenössischer Komponisten, die teilweise sogar mitspielen. Hinreißend virtuos!
Ein Jahr vor Beethovens erstem Fidelio-Versuch unter dem Titel Leonore (1805) kam an der Dresdner Hofoper Ferdinando Paërs Leonora heraus. Gemeinsame Quelle beider Werke war Jean Nicolas Bouillys Libretto Léonore ou l’Amour coniugal, das in der Vertonung von Pierre Gaveaux 1798 zum ersten Mal auf die Opernbühne fand. Paërs Librettisten Giuseppe Maria Foppa und Giacomo Cinti schlossen sich eng an Bouillys Vorlage an. Das Personal und der Handlungsverlauf sind auch mit Beethovens Fidelio identisch.
Das französische Trio Karénine, – der Name geht auf Tolstois Roman „Anna Karenina“ zurück – das einen der beiden 2. Preise des ARD-Musikwettbewerbs errang, wählte für seine neueste Einspielung Bearbeitungen für Klaviertrio, die entweder vom Komponisten oder nahestehenden Kollegen stammen. Das Klavierstück Vallée d’Obermann bezieht sich auf den Briefroman „Obermann“ von Émile de Senancourt, in welchem einer der Briefe „Vom Wesen des Romantischen und vom Kuhreigen“ Betrachtungen zum romantischen Lebensgefühl in wilder Natur thematisiert.
Mit Ewald Straesser lenkt das Berolina-Ensemble einmal mehr den Blick auf einen Komponisten der deutschen Spät- bis Nachromantik, dessen Musik bislang nur wenig Beachtung fand. In beispielhaften Interpretationen dreier sehr reiz- und charaktervoller Werke mit Klarinette erweist sich Straesser dabei nicht nur als der Brahms-Nachfolger, als der er schon zu Lebzeiten galt, sondern als ein Komponist, der auf Basis der deutschen Spätromantik speziell in seinem Spätwerk durchaus eigene Wege ging.
Bereits seit einigen Jahren ist das Saxofon in der Klassikwelt angekommen – und dies als Instrument, das man eher dem Jazz zuordnet und das vielleicht auch als zu laut, zu harsch gilt als dass man es für klassische Werke einsetzen würde. Inzwischen wurde man als aufmerksamer Zuhörer eines Besseren belehrt, was nicht zuletzt auch dem Kölner Saxofonisten und Hochschullehrer Daniel Gauthier und seinem Alliage Quintett zu verdanken ist. Seit 2003 leitet er an der Hochschule für Musik und Tanz Köln eine der besten Saxofonklassen Europas, wovon man sich bei dieser Aufnahme überzeugen kann.
„Der Weltraum. Unendliche Weiten. Dies sind die Abenteuer des Raumschiffs Enterprise, das […] in Galaxien vordringt, die nie ein Mensch zuvor gesehen hat.“ Ein bisschen so verhält es sich auch mit der Kasseler Kirche St. Martin. Auch hier werden neue Welten entdeckt, insbesondere neue Klangwelten. Die Kirchenmusik hat hier immer schon eine besondere Rolle gespielt, besonders die Neue Musik. Kantoren wie Klaus Peter Ziegler und Hans Darmstadt haben in St. Martin in besonderer Weise Maßstäbe gesetzt. Seit 2006 setzt Eckhard Manz diese Tradition fort und mit der 2017 eingeweihten Rieger-Orgel steht ihm ein Instrument zur Verfügung, das den Erfordernissen der Neuen Musik in besonderer Weise Rechnung trägt.
Die Sopranistin Ruby Hughes und ihr Begleiter Joseph Middleton leuchten in die Innenräume der Seele (vor allem der weiblichen) und erreichen dabei ein selten erlebtes Maß an Intimität.
Kalevi Aho, Jahrgang 1949, ist einer der bemerkenswertesten und produktivsten Sinfoniker unserer Zeit, und natürlich sind es insbesondere seine Orchesterwerke, die ihn in den letzten Jahrzehnten bekannt gemacht haben, darunter mittlerweile 17 Sinfonien und 35 Konzerte für alle Orchesterinstrumente (und nicht nur diese). Ahos Schaffen ist aber tatsächlich noch deutlich vielfältiger, und was die Besetzung anbelangt, nimmt die vorliegende neue BIS-SACD gewissermaßen die entgegengesetzte Position ein: versammelt sind hier ausschließlich Werke für ein einzelnes Instrument
Nachdem sich das B-Five Recorder Consort bereits erfolgreich mit John Dowland und William Byrd befasst hatte, sind nun deren Zeitgenossen Alfonso Ferrabosco – Vater und Sohn – an der Reihe. Aber vorab, was ist ein Consort? „Consort-Music“ war die Sammelbezeichnung für die besonders kunstvoll in England gepflegte 3-6 stimmige Kammermusik der Renaissance und des Frühbarock.
Chamber music arrangements by his contemporaries Symphony No. 60, Concertino in G
Prospero PROSP 0017
1 CD • 56min • 2017
08.11.2021 • 10 10 10
Joseph Haydn galt bereits zu Lebzeiten als einer der größten Komponisten seiner Epoche – das mündete auch in zahlreiche Bearbeitungen erfolgreicher Orchesterwerke für Kammermusikensemble, die so das häusliche Musizieren dieser beliebten Werke ermöglichten. Michael Dücker hat in unermüdlicher Forschungsarbeit etliche solcher Arrangements ausgegraben und stellt sie auf dieser CD in vortrefflichen Interpretationen vor.
„Ich bin 1895 zu Hanau geboren. Seit meinem 12. Jahre Musikstudium. Habe als Geiger, Bratscher, Klavierspieler oder Schlagzeuger folgende musikalische Gebiete ausgiebig „beackert“: Kammermusik aller Art, Kaffeehaus, Tanzmusik, Operette, Jazz-Band, Militärmusik. Seit 1916 bin ich Konzertmeister der Frankfurter Oper. Als Komponist habe ich meist Stücke geschrieben, die mir nicht mehr gefallen: Kammermusik in den verschiedensten Besetzungen, Lieder und Klaviersachen. Auch drei einaktige Opern, die wahrscheinlich die einzigen bleiben werden, da infolge der fortwährenden Preissteigerungen auf dem Notenpapiermarkt nur noch kleine Partituren geschrieben werden können…“ Soweit Paul Hindemiths Selbstbiographie in „Neue Zeitschrift für Musik“ im Juli 1922. [...]
Der spanische Gitarrenstil setzt auf Temperament und rauschhafte Klangfülle. Das haben die großen Meister ihres Faches, so auch der unerreichte Paco de Lucia eindrücklich demonstriert und dadurch auch ein neues Publikum, das bislang vor allem Jazz hörte, erschlossen. Das Schweizer EOS-Guitar Quartet wagt auf seiner aktuellen CD eine Hommage an den legendären Gitarristen, der im Jahr 2014 in Mexiko verstarb. Die Besetzung mit gleich vier Gitarren weitet bei dieser hochmotivierten Formation das Ausdrucks- und Klangspektrum immens aus – umso mehr, das hinter den Instrumenten vier außerordentlich kreative Musikerpersönlichkeiten stehen
Gelegentlich, wenn etwas herausragend gelingt, ist es gar nicht einfach, dies angemessen zu beschreiben. So geht es mir auch hier. Die letzten drei Beethoven-Sonaten, Abschluss einer drei CDs umfassenden Gesamtaufnahme für BIS, bilden den unbestreitbaren Höhepunkt der bisherigen Kollaboration zwischen Martin Helmchen und Frank Peter Zimmermann. Danach würde ich mir von den beiden nun zuerst die drei Sonaten von Robert Schumann wünschen. Wer kann die schon, wenn nicht dieses Duo?
Das Pleyel-Quartett beendet mit der vierten Folge die Gesamteinspielung der 12, dem cellobegeisterten Preußenkönig Friedrich-Wilhelm II. gewidmeten Quartette ihres Namenspatrons. Ignaz Pleyel (1757-1831) – oder, wie er sich später in Frankreich nannte, Ignace Pleyel – war Schüler Johann Baptist Vanhals und Joseph Haydns, wurde von Mozart geschätzt und begründete später in Paris eine der europaweit bedeutendsten Klaviermanufakturen.
François Couperin entstammte einer berühmten französischen Musikerfamilie und wurde von den Franzosen mit dem Beinamen „Le Grand“ ausgezeichnet und hervorgehoben; er galt überdies als erstrangiger Virtuose auf Orgel und Cembalo. Tilman Skowroneck, weltberühmter Cembalist und Musikdozent an der Universität Göteborg, präsentiert die außerordentliche Musik von Couperin dem Großen mit Virtuosität und Einfühlung.
Hochvirtuose Lautenmusik des 17. Jahrhunderts vereint Frank Bungarten auf einer SACD, mit der er einem der bedeutendsten Lautenisten dieser Epoche ein Denkmal setzt. Johann Hieronymus Kapsberger (1575?/1580?-1651), der in Venedig als Sohn eines deutschen Adligen geborene Musiker, erlangte in seinem Gastland als „Il Tedesco della Tiorba“ (der „Deutsche mit der Theorbe“) Berühmtheit und Respekt. Als Solist wie als Komponist stand er zu Lebzeiten in hohem Ansehen